Doppel-Ausfall Fehlersuche nach Technik-K.o.: Mercedes unter Druck

Spielberg (dpa) - Viel Zeit hatte Toto Wolff nach dem ersten doppelten Technik-K.o. seines Mercedes-Teams in sechs Jahren Formel 1 nicht zu verlieren.

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Schon für den Morgen nach dem Desaster beim Großen Preis von Österreich in Spielberg setzte der Teamchef in der Fabrik in Brackley die ersten Meetings an. „Wir müssen analysieren, was falsch gelaufen ist“, kündigte Wolff an. „Dann gehen wir nach Silverstone und fahren so gut wir können.“

Das Doppel-Aus des Titelverteidigers Lewis Hamilton (Benzindruck) und seines Teamkollegen Valtteri Bottas (Hydraulikleck in der Lenkung) auf dem Red Bull Ring in der Steiermark rüttelte am Selbstverständnis von Mercedes. Die Weltmeister der Zuverlässigkeit sind doch nicht unfehlbar. Und das vor dem Heim-Grand Prix am Sonntag im britischen Silverstone.

Dazu kamen die Strategiepanne mit dem zu späten Reifenwechsel bei Hamilton und der Verlust der Führungen in der Fahrer- und der Konstrukteurs-Wertung an den Österreich-Dritten Sebastian Vettel und dessen Ferrari-Team. Am Ende konnten die Silbernen nur noch hilflos zuschauen, wie der Niederländer Max Verstappen im Red Bull vor dem Ferrari-Duo Kimi Räikkönen und Vettel den Sieg einfuhr, der eigentlich für sie bestimmt schien.

Die emotionale Erschütterung bei Mercedes war so groß, dass sogar Vierfach-Champion Hamilton trösten musste, nachdem er noch im Rennen ständig via Boxenfunk genörgelt hatte. „Ich habe weiter volles Vertrauen in mein Team“, sagte der 33-Jährige, mahnte aber zugleich. „Wir haben definitiv viel Arbeit vor uns, um zu verstehen, was heute auf beiden Seiten der Box schief gelaufen ist.“ Der Rückschlag kam zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Silberpfeile anschickten, die Kräfteverhältnisse zumindest kurzfristig wieder zu ihren Gunsten zu verschieben. Doch der Dämpfer bestätigte wieder einmal Wolffs These vom Arbeiten am Limit und den Kleinigkeiten, die entscheiden.

Noch eine Woche zuvor war Hamilton dank eines Power-Plus von zehn PS zum souveränen Sieg beim Frankreich-Rennen in Le Castellet und zur WM-Führung gefahren. In Spielberg funktionierte das neue Aerodynamik-Paket im Training und in der Qualifikation auf Anhieb. Und nichts deutete auf das Debakel im Rennen hin.

Doch der Wechsel ist in dieser Formel-1-Saison die einzige Konstante. Nach dem Erfolg von Verstappen haben die Top-Teams Mercedes, Ferrari und Red Bull jeweils drei Siege in diesem Jahr eingefahren. Zum vierten Mal tauschte im Fahrerklassement die Führung.

Nun ist das Momentum wieder bei Hamiltons Dauerrivale Vettel. Mit einem Punkt Vorsprung reist der 30-Jährige zum Rennen in der Heimat des Titelverteidigers. Die Gefühle des Heppenheimers nach dem Grand Prix in der Steiermark waren dennoch gemischt.

Die Rückversetzung in der Startaufstellung wegen Behinderung in der Qualifikation nagte noch immer an ihm. „Unser Renntempo hat gestimmt, daher wurmt mich die Strafe schon ein wenig“, meinte er. „Rang drei war Schadensbegrenzung, wir konnten ja nicht ahnen, dass beide Mercedes ausfallen würden.“ An Verstappen war für Vettel in Österreich nicht heranzukommen. Dessen Erfolg war das Ergebnis eine bemerkenswert schnellen Reifeprozesses. Noch zu Beginn der Saison hatte sich der 20-Jährige mit einigen ungestümen Aktionen vor allem selbst geschadet. „Max hat die richtige Antwort auf alle Kritiker der vergangenen Wochen gegeben“, sagte Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko, der selbst zu den schärfsten Kritikern des Supertalents zählte.

Mit den Plätzen drei, zwei und eins in den letzten drei Rennen hat sich Verstappen allmählich in die Rolle des Herausforderers von Vettel und Hamilton gebracht. Zwölf Rennen sind zu fahren, der Rückstand auf Vettel beträgt beträchtliche 53 Punkte. In dieser Saison scheint aber vieles möglich, wenn jetzt sogar Mercedes technisch K.o. geht.