Der Fahrer in Vettel ist gefragt
Melbourne (dpa) - Mit der bisherigen Oberzicke „Suzie“ kann Sebastian Vettel seine Klasse als Formel-1-Pilot erst recht unter Beweis stellen.
In der vermutlich schwersten Zeit bei Red Bull seit seinem Aufstieg vom B-Team kann der viermalige Weltmeister auch die letzten kritischen Stimmen verstummen lassen, die seine Erfolge vor allem dem bis dato praktisch immer überlegenen Auto zurechneten. Um den Problemfall RB10 für die fünfte WM-Mission in Serie in den Griff zu kriegen, kommt es mehr denn je auf Vettels Know-How hinterm Steuer seines frischgetauften Red Bulls an.
„Wichtig ist aus meiner Sicht: dass ich genaue Rückmeldung übers Fahrverhalten gebe, über die Probleme, wie sich das Auto und der Motor anfühlen so das jeder, der daran arbeitet, es hoffentlich ein bisschen besser versteht und die Probleme schneller aus dem Weg räumen kann“, sagte Vettel in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur dpa vor dem Auftaktrennen in Melbourne. Denn noch bereitet „Suzie“, wie er seinen Wagen mit seiner Crew nun taufte, mehr Sorgen als Freude.
Nach neun Siegen in der vergangenen Saison in Serie und der letzten „Niederlage“ Ende Juli mit Vorgängerin „Hungry Heidi“ tritt Vettel in Australien daher auch mit dem denkbar schlichtesten Ziel an: Das Rennen zu Ende bringen. Dennoch überwiege die Freude, dass es nach 112 Tagen Rennpause wieder losgeht, betonte Vettel.
Allerdings unter anderen Vorzeichen als in all seinen bisherigen Jahren beim Top-Rennstall von Dietrich Mateschitz. „Sebastian hatte in viereinhalb seiner bisherigen fünf Jahre bei Red Bull ein absolutes Siegerauto“, sagte der österreichische Multimilliardär jüngst in einem dpa-Interview. „Die letzten Jahre waren wir natürlich sehr erfolgsverwöhnt“, gab auch Vettel gern zu.
In Zahlen ausgedrückt: Viermal Fahrer- und Konstrukteursweltmeister in den vergangenen fünf Jahren. Insgesamt 47 Rennsiege und 57 Poles für Red Bull in dieser Zeit. Vom Team mit Party-Image beim Einstieg 2005 bis zum ernst genommenen und sogar gefürchteten Branchenführer schaffte es der Rennstall in kurzer Zeit.
Nach den erschreckend problembeladenen Proberunden mit Vettels neuem RB10 droht allen im Team jetzt aber eine neue Erfahrung. Als besonderer Motivator ist Vettel in dieser Phase nicht gefragt. „Im Team sind alle sehr gut drauf, und jeder ist bereit sein bestes zu geben, ich glaube, da braucht keiner einen Tritt in den Hintern“, sagte der 26-Jährige.
Im Kampf gegen MercedesAMG mit Landsmann Nico Rosberg und Ex-Champion Lewis Hamilton, Ferrari mit dem höchst erfahren und wohl nicht minder explosiven Weltmeister-Duo Fernando Alonso und Kimi Räikkönen, einem möglichen Geheimtipp Felipe Massa und gegebenenfalls noch weiteren Kandidaten müssen Vettel und Red Bull schnell in die Erfolgsspur zurückfinden. Auch wenn der Heppenheimer beruhigt: „Bis zum 23. November (Saisonfinale in Abu Dhabi) ist es noch lange hin und es kann viel passieren.“
Weil alles neu ist, vom kompletten Antriebsstrang über das Spritlimit, aerodynamischen Einschnitten und einem Punktesystem à la Flensburg für die Fahrer, seien auch die Erwartungen „dementsprechend wieder bei null“, betonte Vettel. Dennoch musste er einräumen, dass die ersten paar Rennen „extrem wichtig“ seien: „Als Wegweiser für den Rest der Saison.“ Schließlich soll am Ende eines diesmal sicherlich beschwerlicheren Weges der erneute Titeltriumph das Ziel sein.