Vettel herausgefordert - Rosberg erster Verfolger
Berlin (dpa) - Sebastian Vettel droht im Jahr der Formel-1-Revolution das bittere Ende als schier unbesiegbare Nummer 1. Ein Motor, der mehr muckt als funktioniert. Ein Auto, das mehr zickt als alle Vorgänger von „Luscious Liz“ bis „Hungry Heidi“ zusammen.
Dazu kommen gierige Verfolger, angeführt von Vettel-Landsmann Nico Rosberg im Silberpfeil, die die Phalanx des Vierfach-Champions mit aller Macht durchbrechen wollen.
„Es gibt keinen Grund, alles schwarz zu sehen“, sagte Vettel nach den kläglichen Testauftritten von Red Bull. Grund für Optimismus auf den 40. Karrieresieg des Heppenheimers gleich zum Auftakt am 16. März in Melbourne und die baldige Egalisierung der 41 Erfolge von Rennsport-Legende Ayrton Senna gibt es aber noch viel weniger. „Wir wissen nicht, wo wir mit dem Auto stehen“, gab Vettel zu.
Die Konkurrenz will die Notlage von Red Bull nach vier Jahren ungebremster Fahrten in die Formel-1-Geschichtsbücher (noch) nicht öffentlich auskosten. „Diese Truppe hat viermal die WM gewonnen und stellt einen der besten Fahrer im Feld. Ich zweifle keine Sekunde daran, dass Red Bull zurückkommen und in dieser Saison noch ein richtig starker Gegner wird“, bekräftigte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.
Vor dem ersten von 19 Rennen mit dem Finale am 23. November in Abu Dhabi gilt sein Team als das Maß der Dinge. Mehr als „vorsichtigen Optimismus“ will Wolff dennoch nicht zulassen. Aus gutem Grund. Kein Team kann mit der Gewissheit die Reise ans andere der Welt antreten, im Albert Park von Melbourne überhaupt die geforderten 58 Runden à 5,303 Kilometer zu schaffen.
Zu komplex, zu kompliziert und teilweise auch zu verhext ist die Arbeit mit den 2014er Modellen mit ihren neuen Antriebssträngen aus Turbomotor und Hybridsystem inklusive 160 Zusatz-PS. Als Vettel vor seiner allerersten Ausfahrt im RB10 gefragt wurde, wie viele Autos wohl in Australien das Ziel erreichen würden, entgegnete er eher fragend mit einem Lächeln: „Die Hälfte?“ Dass er womöglich zu den anderen 50 Prozent gehört, konnte er da noch nicht ahnen.
Ein wahres Ausfallchaos droht. Selbst die Silberpfeile, die sich als Kilometerfresser in den Tests erwiesen, sind vor technischen Defekten nicht sicher. „Das war definitiv die größte Herausforderung in einem Winter, die ich bislang erlebt habe“, gestand Mercedes-Mann Lewis Hamilton. „Wenn man in den ersten Rennen das Ziel erreicht, wird man ein gutes Resultat erzielen“, meint Fernando Alonso.
Der Spanier wird von der Sehnsucht nach seinem dritten Titel nach 2005 und 2006 getrieben. Das letzte Quäntchen soll sein neuer Ferrari-Teampartner Kimi Räikkönen aus Alonso herausholen. Nach der Rückkehr von Lotus zur Scuderia gilt der Finne allerdings selbst als einer der WM-Kandidaten. Ihr neuer Wagen F14T machte zumindest nicht solche Probleme an den insgesamt zwölf Testtagen wie der Red Bull.
Dasselbe gilt für den neuen McLaren-Mercedes mit Ex-Champion Jenson Button. Womöglich kann sogar Neuling Kevin Magnussen aus Dänemark für eine Überraschung sorgen. Schon 2007 hatte ein Rookie im McLaren fast den Titel gewonnen: Lewis Hamilton. Der Brite fährt mittlerweile neben Rosberg für Mercedes. Wie im vergangenen Jahr sind insgesamt fünf Piloten am Start, die schon Champion waren.
Bis auf MercedesAMG und Marussia gab es in allen Teams zumindest einen Fahrerwechsel. Ganz neu dabei sind neben Magnussen auch der Russe Daniil Kwjat im Toro Rosso und der Schwede Marcus Ericsson im Caterham. Bei Sauber und Force India tauschten der Emmericher Nico Hülkenberg und der Gräfelfinger Adrian Sutil die Plätze.
Neuland betritt die Formel 1 auch in diesem Jahr: Erstmals wird in Russland gefahren, passenderweise in der Olympia-Stadt Sotschi. Eine Rückkehr in den Rennkalender feiert Österreich - es wird der erste echte Heim-Grand-Prix für Red Bull. Bis zum 22. Juni aber wird das Team kaum mit dem Jubeln warten wollen. Immerhin gewährte Boss Dietrich Mateschitz via „Salzburger Nachrichten“ Schonfrist: „Ein Rückstand am Saisonanfang heißt nicht automatisch, dass die WM verloren ist. Auch mit einem Nachholbedarf besteht eine Chance.“
Seit August vergangenen Jahres ist sein Starpilot ungeschlagen; neun Rennen nacheinander gewann der 26 Jahre alte Vettel. Vorbei ist nun auch der Zwist mit Kollege Mark Webber, im zweiten Red Bull sitzt jetzt Daniel Ricciardo. Er sei nicht „darauf eingestellt, dass er mir den Arsch versohlt“, hat der Australier jedoch dem Magazin „auto, motor und sport“ versichert.
Melbourne wird Ricciardos Heimrennen. Ans Siegen braucht bei Red Bull momentan wohl niemand zu denken. Vor allem der Renault-Antrieb funktioniert nicht, wie er soll. Hinzu kommen immer wieder neue und immer wieder andere Probleme. Vettel sei „not amused“, räumte Motorsportberater Helmut Marko jüngst ein. Verständlich, droht dem siegverwöhnten Hessen doch der Verlust der Nummer 1 in der Königsklasse des Motorsports. Dann müsste er 2015 mit der von ihm gewählten 5 auf dem Wagen seine fünfte WM-Mission erneut angehen.