„Grüß Gott in Bayern“: Richter kennt Ecclestone bereits
München (dpa) - Bernie Ecclestone hat seinen Richter Peter Noll schon kennengelernt. Stundenlang wurde der mächtige Formel-1-Boss im November 2011 im Münchner Landgericht von Noll und den Staatsanwälten ausgefragt - als Zeuge im Prozess gegen den einstigen BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky.
Am 24. April sitzt der Brite nun selbst wegen Bestechung vor Noll auf der Anklagebank. Langweilig werden die Wortwechsel zwischen Noll und Ecclestone mit Sicherheit nicht - beide haben Humor.
Seit Jahren führt Richter Noll die großen Wirtschaftsprozesse in München mit Witz und souveräner Gelassenheit, aber hart in der Sache - wie die Verurteilung von Gribkowsky zu achteinhalb Jahren Haft zeigte. Unzählige Verfahren hat der Vorsitzende der 5. Strafkammer am Münchner Landgericht in den vergangenen Jahren geleitet und dabei immer wieder bewiesen, dass Wirtschaftsverfahren keine dröge Angelegenheit sein müssen.
Je komplexer die Inhalte seiner Prozesse sind, desto mehr bemüht sich Noll um eine klare Sprache. Jeder im Saal soll verstehen, worum es geht. Die Anglizismen in der Sprache der Manager sind dem Richter ein Dorn im Auge. Ein Chief Operating Officer ist für ihn, wie er sagt, „auf gut Deutsch der Vorstandsvorsitzende“. Englische Schriftstücke verliest er aus Prinzip nicht in seinen Prozessen. Schon allein, wie er versichert, um den Zuhörern seine schlechte Aussprache zu ersparen. Im Prozess gegen Ecclestone haben die Dolmetscher daher viel zu tun. Sie hatten sich bei der Zeugenaussage von Ecclestone schon mit der Begrüßung durch Noll etwas schwergetan. „Grüß Gott in Bayern“ - das war in der Übersetzung erklärungsbedürftig.
In dem Verfahren sorgte Noll immer wieder für Heiterkeit im Gerichtssaal. Den Verkauf der Formel 1-Anteile der BayernLB an der Formel 1 bezeichnete der Richter als „Gesamtkunstwerk“, zur Mittagspause läutete er „High Noon“ ein. „Harry hol' schon mal den Wagen“, kommentierte er den Spitznamen eines Zeugen. Einmal handelte er sich mit seiner lockeren Sprache Ärger ein: Als er im Prozess von einem „Kasperltheater“ sprach, wollten die Anwälte ihn wegen Befangenheit ablehnen. In seinem Urteil fand er zum Schluss aber auch für Ecclestone deutliche Worte: Er habe Gribkowsky mit „Charme und Raffinesse“ ins Verbrechen geführt, als er ihm beim Formel 1-Verkauf 44 Millionen Dollar gab.
Oft zeigt schon Nolls Mimik, was er von den Aussagen der Beteiligten hält. Etwa als ein Banker sich beklagte, er habe nur 27 000 Euro Sonderzahlungen für seine Arbeit an dem Formel-1-Deal erhalten. Noll gab dem Banker - wie bei Zeugen üblich - zum Abschluss der Vernehmung ein Formular für die Auslagen seiner Kosten aus der Gerichtskasse und konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen. „Da bekommen Sie einen Bonus.“
Von EM.TV über Infineon bis zu Siemens hat der Jurist bereits etliche Erfahrungen in Wirtschaftsstrafsachen gesammelt. Bereits zu Beginn seiner Laufbahn 1989 als Staatsanwalt in München beschäftigte sich Noll mit Fällen von Groß- und Anlagebetrug. Nach einer Station in Chemnitz ist er seit 2004 Vorsitzender Richter der Wirtschaftsstrafkammer am Münchner Landgericht.
In seiner Freizeit engagiert sich der Vater von drei Kindern als Gemeinderat für die „Grüne Alternative Liste“ in seinem Wohnort Utting am Ammersee. Dort hat er es meist mit bodenständigeren Themen zu tun als im Gericht: Zuletzt befasste sich der Gemeinderat unter anderem mit der Erlaubnis für einen Eiswagen in dem beschaulichen Ort.