Späte Einigung im Formel-1-Regelchaos

Silverstone (dpa) - Der Formel-1-Zoff um das Zwischengas-System ist zum Regelchaos eskaliert. Nach mehreren Kehrtwenden in der Debatte um den aerodynamischen Kniff, der vor allem den Red Bulls hilft, war beim Großen Preis von Großbritannien die Verwirrung endgültig perfekt.

Immerhin einigten sich die Teams am Sonntagabend doch noch auf eine Lösung bis zum Saisonende, die eine abgespeckte Version wie zuletzt beim Europa-Grand-Prix in Valencia vor zwei Wochen vorerst zulässt.

„Hoffentlich haben wir nun Klarheit geschaffen und endlich einen Schlussstrich unter die ganze Angelegenheit gezogen“, erklärte Red-Bull-Teamchef Christian Horner nach dem Rennen, das Ferrari-Pilot Fernando Alonso gewann. Doch von Klarheit kann angesichts der ständig veränderten Regeln eigentlich keine Rede sein. „Das versteht doch kein Mensch mehr. Lasst uns einfach fahren und die Regeln so einfach wie möglich“, forderte Sebastian Vettels Teamkollege Mark Webber. „Wir müssen aufpassen. Wir verlieren hier ein bisschen die Bodenhaftung“, warnte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh zuvor.

Verbot am Donnerstag, Sondergenehmigung am Freitag, erneutes Verbot am Samstag, Unklarheit und späte Einigung am Sonntag - das Wirrwarr war am Wochenende vollends perfekt. Vom nächsten Rennen am Nürburgring in zwei Wochen an gilt das, was zuletzt in Valencia Bestand hatte. Das Zwischengas darf eingeschränkt wieder genutzt werden, die Motoreneinstellungen dürfen indes zwischen Qualifying und Rennen nicht mehr geändert werden. In Silverstone war das System nach langem Hickhack noch komplett verboten.

In den Tagen von Silverstone wussten selbst Experten oft nicht mehr, ob die Teams nun mit dem Hilfsmittel unterwegs waren oder nicht. „Die Regeln haben sich zu jeder Session wieder geändert. Unsere Ingenieure haben da einen Super-Job gemacht“, lobte Webber die Flexibilität der Mechaniker. Bei der bisher gültigen Abgasvariante werden Auspuffgase so in den hinteren unteren Bereich der Autos geblasen, dass die Straßenlage auch dann verbessert wird, wenn der Fahrer kein Gas gibt.

Ausgelöst wurde das Chaos am Freitag, als Motoren-Lieferant Renault und allen voran Partner Red Bull, der das System nach eigener Angabe perfektioniert hat, bei der FIA einen Sonderstatus für das Rennwochenende erwirkt hatten. Das Red-Bull-Argument: Ohne Zwischengas ist die Standfestigkeit des gesamten Motors gefährdet.

Dies sorgte für erheblichen Ärger beim bislang schärfsten Red-Bull-Konkurrenten McLaren, der mit Mercedes-Motoren unterwegs ist. In aller Öffentlichkeit lieferten sich die beiden Teamchefs Horner und Whitmarsh ein hitziges Streitgespräch, bis sich Lotus-Kollege Tony Fernandes einmischte. „Es ist ein Jammer, das wir diese Art von Diskussionen führen“, sagte Fernandes und fügte stellvertretend für die meisten Beobachter angesichts der technischen Details hinzu: „Ich habe kein Wort von dem verstanden, was die beiden gerade geredet haben.“

Mit der für Silverstone gültigen Regelung war vor allem Red Bull unzufrieden. Das Vettel-Team fühlte sich massiv benachteiligt. Auf anderen Strecken als dem flüssigen Kurs in Silverstone erwartete der Rennstall erhebliche Rückschläge in der Leistungsfähigkeit.

Rekordweltmeister Michael Schumacher kann die Aufregung um die Technik nicht verstehen. „Ich glaube, es ändert sich nicht allzu sehr. Wenn überhaupt hat Ferrari davon profitiert, die eine ganze Ecke näher rangekommen sind“, sagte Schumacher, der gleichwohl den Regel-Eingriff mitten in der Saison kritisierte: „Man muss auch bedenken, dass jede Regeländerung jede Menge Geld kostet.“