Rechtsextremismus Nazis beim Fußball: Warum der Sport eine gute Bühne für Rechte ist

Der Fußball muss noch lernen, wie er mit rechtsextremen Tendenzen umgehen soll. Aber das geht der Gesellschaft gerade nicht anders.

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Dortmund. Hat der Fußball nun ein besonderes Problem mit dem Rechtsextremismus? Oder ist er damit nur Spiegelbild der Gesellschaft? Vom Spiegelbild redet der Sportsoziologe und Fan-Forscher Gunter A. Pilz nicht, dafür vom „Brennglas der Gesellschaft“: Die „hohe mediale Aufmerksamkeit und die gesellschaftliche Wertigkeit des Fußballs“ führen nach seiner Ansicht dazu, dass Entwicklungen im Fußball stärker wahrgenommen werden, was für Rechte ein zusätzlicher Anreiz ist, ihn als Bühne zu nutzen. „Andererseits werden rechte Tendenzen dadurch auch intensiver angegangen.“

Vielleicht ist es aber auch so, dass beide — der Fußball wie die Gesellschaft — gerade erst noch lernen müssen, dass sich Dinge durch Schweigen nicht länger von selbst erledigen. Claudia Roth, Bundestagsvizepräsidentin und Kuratoriumsmitglied der Kulturstiftung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sagt mit Blick auf den Einzug der AfD: „Wir sind jetzt im Bundestag auch ein Spielfeld. Und die Frage ist: Wie setzen wir uns damit auseinander?“ Ihr Beispiel: der diffamierende Tweet des AfD-Abgeordneten Daniel Boi am 31. Oktober: „Neues Präsidium im Bundestag: Ein Rollstuhlfahrer, Claudia Roth von den Grünen und ein Afrikaner der SPD. Perfektes Abbild der BRD 2017.“

Einig sind sich alle bei der Diskussion „Angriff über rechts — Neonazis im Stadion“ im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund: „Die Behauptung, Fußball habe nichts mit Politik zu tun, ist Unsinn“ (Roth). Wenn Anhänger von Energie Cottbus in der Regionalliga den Gegner mit „Arbeit macht frei — Babelsberg 03“ verhöhnen, wenn beim Qualifikationsspiel gegen Tschechien in Prag deutsche Fans „Özil abschieben, Ausländer raus!“ brüllen, dann stellt sich innerhalb wie außerhalb des Fußballstadions die Frage: In welchem Land wollen wir leben?

Dass Mats Hummels nach den Nazi-Krakeelereien von Prag zusammen mit seinen Kollegen den Gang in die Kurve verweigerte, begrüßt Pilz. „Ich hätte mir ein solches Zeichen auch von Löw und Bierhoff gewünscht — und von der ganzen Kurve.“ Denn die 50 bis 60 rechten Chaoten hätten gar nicht inmitten der deutschen Fans gestanden und ihre Sprüche skandiert. „Aber der ganze deutsche Block war still. Warum brüllt man die nicht nieder?“ So wie es den Bremern gelungen sei, die rechten Hooligans mit „Nazis raus!“-Rufen aus dem Block zu vertreiben. „Ich leide daran, dass wir eine starke Empörungskultur haben, aber nur eine geringe Handlungskultur.“

Doch Pilz’ Forderung stößt im Publikum auf Widerspruch. Ein Fan, der in Prag dabei war, hat die Kräfteverhältnisse bedrohlicher in Erinnerung und klagt den DfB an, die schon lange bekannte Gefahr nicht ernst genommen zu haben. Wer also trägt Verantwortung: der Kopf oder die Basis?

Stefan Mühlhofer, Leiter des Dortmunder Stadtarchivs, hat da eine klare Position: Schon 2008 habe es in einem Gutachten über rechte Tendenzen in der Stadt einen Passus zum BVB gegeben. „Die Fans haben umgedacht, nicht die Vereinsspitze.“ Wenn es um die Bekämpfung von Rassismus gehe, müsse ein Verein auch bereit sein, Anhänger zu verlieren. Dieser Gedanke sei in Dortmund von unten nach oben transportiert worden.

Bis heute wird der Bundesligaverein zwar den Ruf einer in Teilen rechten Anhängerschaft nicht los. Aber Torsten Schild, Vorsitzender der Fanabteilung, widerspricht dem Vorwurf, die Anti-Rassismus-Arbeit der Borussia sei ein reiner Marketing-Gag. „Wenn ich ehrenamtlich 30 Stunden pro Woche investiere, hat das nichts mit Marketing zu tun.“ Ultras und Fans des BVB wehrten sich gegen rechte Versuche, auf die Tribüne zu kommen. Es gebe „eine Selbstreinigung aus der Kurve“. Der Verein hat inzwischen zehn Fanbetreuer, darunter vier Hauptamtliche. Im nächsten Jahr soll mit einem Fanhaus ein Ort der Begegnung in Stadionnähe entstehen.

Eine Selbstreinigung, die in Aachen eine andere Richtung genommen hat: Dort hatte die rechte Aachener Ultragruppierung „Karlsbande“ die linken Ultras auf dem Tivoli vor Jahren verdrängt. Wie gründlich der Selbstreinigungsprozess verlief, den sich die „Karlsbande“ später selbst verschrieb, ist bis heute umstritten. Auf ihrer Internetseite distanzieren die Ultras sich inzwischen „von jeglichen politischen und extremistischen Strömungen“ und beanspruchen für sich ein „grundsätzlich unpolitisches Auftreten“.

Klar scheint: Je stärker sich die höheren Ligen gegen Rechtsextremismus engagieren, desto mehr verlagert sich das Problem in die unteren Spielklassen. Und eine aktive Antirassismus-Arbeit bei der Fifa und im DfB ist das eine. „Aber die Landesverbände bis in die unterste Basis mitzunehmen, ist ein zähes Geschäft“, sagt Pilz. Der Sport allein könne seine Probleme nicht lösen, sondern bedürfe der Unterstützung durch kommunale Sozialarbeit. „Das Rassismusproblem ist in den unteren Ligen nicht geringer. Da fehlt nur der Scheinwerfer.“