„Größer als die Regeln“ Nord- und Südkorea bei Tischtennis-WM als gemeinsames Team

Halmstad (dpa) - Die neue Form der Ping-Pong-Diplomatie wurde perfekt inszeniert. Bei der Tischtennis-WM in Schweden liefen die Damen-Teams von Nordkorea und Südkorea am Donnerstag zunächst ganz normal zu ihrem geplanten Viertelfinal-Duell in die Arena von Halmstad ein.

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Doch anstatt sich am Tisch warmzuspielen, versammelten sich alle Spielerinnen und Trainer auf einmal für ein gemeinsames Foto, nahmen sich in die Arme und winkten ins Publikum. Der Hallensprecher verkündete: Nord- und Südkorea werden bei dieser Weltmeisterschaft nicht gegeneinander spielen, sondern ab sofort ein gemeinsames Team bilden. Premiere ist am Freitag im Halbfinale gegen Japan.

„Ja, wir respektieren die Regeln. Ja, wir haben sie geändert. Aber das hier ist größer als die Regeln“, sagte der deutsche Weltverbands-Präsident Thomas Weikert am Nachmittag bei einer Pressekonferenz in Halmstad. Für ihn ist die Bildung eines gemeinsamen koreanischen Teams „ein historischer Schritt“. Denn auch Nord- wie Südkoreaner sehen darin nicht weniger als „ein wichtiges Statement, um den Friedensprozess zwischen unseren beiden Ländern durch den Tischtennis-Sport unterstützen zu können“, wie der Vizepräsident des südkoreanischen Verbandes, Ryu Seungmin, betonte.

Die beiden offiziell noch immer im Kriegszustand befindlichen Länder bildeten schon einmal bei der WM 1991 in Japan ein gemeinsames Team und hatten ohnehin vor, dies auch bei den Asien Spielen Ende August in Indonesien zu tun. Doch in diesen Tagen passt die Wiedervereinigung an der Tischtennis-Platte besonders gut in die politische Entwicklung. Erst vor einer Woche überquerte Nordkoreas Diktator Kim Jong als erster Machthaber seines Landes seit dem Ende des Koreakriegs vor 65 Jahren die Grenze zwischen beiden Staaten, um mit Südkoreas Präsident Moon Jae-in ein Gipfeltreffen abzuhalten.

Tischtennis und Weltpolitik wurden schon einmal miteinander verknüpft. 1971 gelang eine historische Annäherung zwischen den USA und China, weil die Chinesen das amerikanische Tischtennis-Team nach Peking einluden. Das wurde damals „Ping-Pong-Diplomatie“ genannt.

Seit den Olympischen Winterspielen tut der Sport auch in diesem Jahr so, als habe er die Entspannungs- und Annäherungspolitik zwischen Nord- und Südkorea erst auf den Weg gebracht und könne sie auch weiter aktiv beeinflussen. In Pyeongchang gab es im Februar unter anderem einen gemeinsamen Einmarsch beider Länder, ein gemeinsames koreanisches Frauen-Eishockey-Team und schon einmal Gespräche zwischen Moon Jae-in und einem hochrangigen nordkoreanischen General.

Auch die Entwicklung bei der Tischtennis-WM wäre ohne den Weltverband ITTF und das Internationalen Olympischen Komitee nicht möglich gewesen. Das IOC finanziert die Reisekosten und den Aufenthalt des nordkoreanischen Teams in Halmstad über sein olympisches Förderprogramm. Die Entscheidung und das Okay für eine gemeinsame koreanische Mannschaft war dann das Ergebnis eines Dreiergesprächs zwischen beiden Verbänden und der ITTF.

Der Tischtennis-Weltverband gab sofort sein Einverständnis dazu, mitten in einem laufenden Wettbewerb ein neues Team zuzulassen. „Als ich unser Board of Directors über die Pläne informiert habe, haben die Delegierten darauf mit Standing Ovations reagiert“, sagte Weikert. Ein koreanisches Team zu bilden, nannte der Rechtsanwalt aus Limburg einen „historischen Schritt“.

Eine gemeinsames Tischtennis-Team hat in Nord- und Südkorea noch einmal eine größere symbolische Bedeutung als im Wintersport. Denn Tischtennis ist in diesem Teil der Welt ein Volkssport. Tischtennis sei „das perfekte Medium, um die Idee vom Frieden durch Sport zu unterstützen“, heißt es in der Mitteilung der ITTF.

Auch Nordkoreas beste Spielerin, Kim Song I, sagte am Donnerstag: „Das ist eine Ehre für mich, dabei zu sein. Ich habe mir das immer vorgestellt, aber nie wirklich erwartet, dass ich eines Tages Mitglied eines vereinten Teams sein könnte.“

Die Männer werden in Halmstad allerdings als Nord- und Südkorea weiterspielen. Ein gemeinsames Team werden beide Länder bei dieser WM nur bei den Frauen bilden. Die Gelegenheit dazu ergab sich auf einmal am späten Dienstagabend. Da war nach der Auslosung der K.o.-Runde klar: Wenn die Nordkoreanerinnen im Achtelfinale gegen Russland gewinnen, treffen Nord- und Südkorea im Viertelfinale aufeinander.

Ihren Plan hielten beide Länder und die ITTF trotzdem bis zum Donnerstagvormittag geheim. „Das hat uns hier alle überrascht“, sagte der deutsche Sportdirektor Richard Prause. „Das ist ein Riesending.“