Querelen mit Ex-Präsidenten: Eissportler in NRW werden Sorge(n) nicht los

Offiziell ist der umstrittene Präsident des NRW-Verbands, Wolfgang Sorge, zurückgetreten, interne Unterlagen beweisen, dass er immer noch die Fäden zieht.

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Düsseldorf. Es waren nur sieben Worte, aber sie ließen erahnen, dass der Abschied nur ein scheinbarer sein wird. „Da sollte niemand anfangen, sich zu freuen“, sagte Wolfgang Sorge vergangenen Sommer. Ja, er habe sich nach Jahrzehnten als Präsident des Landes-Eissportverbandes NRW (LEV) zurückgezogen. Aber nein, er werde nicht von der Bildfläche verschwinden. Er müsse sich ja noch „um die Eishockey-Angelegenheiten“ des Mehrsparten-Verbandes kümmern.

Mittlerweile hat sich gezeigt, dass der umstrittene Funktionär die sieben Worte ernst meinte. Noch immer ist Sorge ein Machtfaktor für die Eissportler an Rhein und Ruhr, noch immer verhängt er Ordnungsgelder. Warum er das noch kann, geht aus einem Dokument hervor, das dieser Zeitung vorliegt. Wenige Tage vor seinem Rückzug ließ sich der 69-Jährige von seinem langjährigen Vertrauen und Nachfolger Friedrich Dieck eine Vollmacht ausstellen. Die regelt seine Zuständigkeit für „laufende und zukünftige außergerichtliche und (schieds-)gerichtliche Auseinandersetnungen“ in Sachen Eishockey, Sorge hat zudem Zugriff auf LEV-Konten und genießt Autonomie. Laut Ziffer 3 ist er „keinen Weisungen des Eissport-Verbandes NRW e.V. unterworfen“. Zudem ist die Vollmacht laut Ziffer 4 „unwiderruflich, sie erlischt erst mit dem Tode von Herrn Wolfgang Sorge“.

Als sie beim Landessportbund (LSB) von dieser Vollmacht erfuhren, hätten sie mit offenen Mündern dagesessen, berichtet ein Insider. Prompt schrieb Präsident Walter Schneeloch einen harschen Brief an den Eissportverband. Dort ist von „Vertrauensbruch“ die Rede, die Fördergelder, die nach Sorges Rückzug wieder fließen sollten, wurden eingefroren. Nicht nur beim LSB, der höchsten sportpolitischen Instanz in NRW, die Steuergelder an die einzelnen Sportarten verteilt, sind sie nicht gut auf Sorge zu sprechen.

Walter Schneeloch, Präsident des Landessportbundes NRW. Foto: LSB

Vor allem die Eishockey-Vereine leiden unter ihm. 2015 unterschrieben zwölf Clubs die „Herner Erklärung“, in der sie Sorge und Dieck vorwarfen, „den Verband nach Gutsherrenart“ zu führen. Sorge verwehrte unliebsamen Mitgliedern den Zutritt zu Versammlungen. Verlief eine Abstimmung nicht nach Wunsch, zog ein Vertrauter dutzende Stimmen von nicht anwesenden Vereinen hervor — Sorge hatte sich im Vorfeld Vollmachten besorgt.

Ordnungsgelder, Verfahren und Urteile sind seine Welt. Kenner sagen, er habe es nie überwunden, sein Jurastudium nicht beendet zu haben. Was ihn kaum interessiert haben soll, ist der Zweck des Verbandes. „Strategische Entscheidungen, die den Sport weitergebracht hätten? Außer Passangelegenheiten und Rechnungen haben wir nichts von ihm gehört“, sagt ein Vereinsvorstand. Der kann sich auch nicht erinnern, den angeblichen Eishockey-Fan bei einem Spiel gesehen zu haben. Auch im für den Sport zuständigen Innenministerium war Sorge kein Begriff. Lobbyarbeit bei Politikern leisten, damit Eishallen erhalten bleiben oder neugebaut werden? Soll es lange nicht gegeben haben. Stattdessen wurden zahlreiche Hallen in NRW geschlossen.

Entsprechend sieht es sportlich aus. Eisstockschießen und Curling werden an Rhein und Ruhr nur hobbymäßig betrieben, Eisschnelllauf und Shorttrack führen ein Schattendasein. Lediglich das oft über Mäzene finanzierte Eishockey lebt. Und der Eiskunstlauf: Die Essenerin Nicole Schott lief bei Olympia.

Chef des Leistungszentrums in Dortmund ist der Sorge-Vertraute Friedrich Dieck, seine Frau Martina ist hauptamtliche Trainerin. Gegen Dieck ermittelte einst die Staatsanwaltschaft. Der damalige Verbandsvize soll Fördergeld für erfundene Seminare beim Landessportbund beantragt haben. Zwar wurden die Ermittlungen eingestellt, Dieck musste aber tausende Euro an den LSB zurückzahlen. Sorge hielt die Hand über ihn.

Vor drei Jahren reichte es den Eishockey-Clubs, sie gründeten einen reinen Eishockey-Verband NRW (EHV). Sorge klagte und verhängte Ordnungsgelder. Das erzürnte den Landessportbund, er strich die Fördergelder. Das Verhältnis werde sich erst normalisieren, wenn Sorge abdankt. Also zog er sich 2017 zurück — aber nur scheinbar, um den LSB zu besänftigen. Anfang des Jahres kam er zurück.

Obwohl der neue Eishockey-Verband längst den Spielbetrieb organisierte, verlange er von den Vereinen Abgaben für die Übergangszeit, in der sie auch noch in seinem Verband Mitglieder waren. Allein die Clubs aus Herford, Ratingen, Hamm und Soest sollten knapp 10 000 Euro zahlen. Der neue Vorstand schwieg.

Eishockey-Clubs wie der aus Herford (r.) sollen trotzdem Abgaben zahlen, obwohl der neue Eishockey-Verband längst den Spielbetrieb organisierte. Foto/Archiv: Jochmann

Zu dem gehört auch Cordula Meisgen vom EV Krefeld, die sich nicht äußern möchte. Meisgen und Bernd Häuser (Eintracht Dortmund) sollten nach den chaotischen Jahren für Seriosität sorgen. Das klappte zunächst. Nachdem eine unabhängige Kanzlei in die Bücher schaute und nichts fand, schien auch der LSB besänftigt. Doch mit den neuen Klagen und der Vollmacht sieht das wieder anders aus. Solange Sorge aktiv ist, wird es zwischen LSB und Verband keine Zusammenarbeit geben.