Ex-Gerolsteiner-Arzt: Placebos statt Dopingmittel
Stuttgart (dpa) - Der frühere Gerolsteiner-Teamarzt Achim Spechter hat nach eigenen Angaben nie Dopingmittel verabreicht. Der Mediziner erklärte am zehnten Verhandlungstag im Betrugsprozess gegen Radprofi Stefan Schumacher vor dem Stuttgarter Landgericht, dass er nicht beim Doping geholfen habe.
Stattdessen habe er einem Radsportler Placebos verabreicht. Er habe den Athleten „im Glauben gelassen“, dass es sich um das verbotene Mittel gehandelt habe, obwohl er ihm Vitamin-B-Präparate gespritzt habe, sagte der als Zeuge geladene Spechter. Dopingmittel habe er nie verabreicht. „Ich kann für mich reinen Gewissens sagen, dass ich das Risiko nie eingegangen bin.“
Spechter war der erste Arzt, der vor der 16. Strafkammer Rede und Antwort stand. Die beiden anderen Teamärzte Ernst Jakob und Mark Schmidt sind bislang ihren Vorladungen mit Verweis auf gebuchte Urlaubsreisen nicht nachgekommen. Während Spechter beim Team Gerolsteiner 2007 ausstieg, waren seine Kollegen auch 2008 noch dabei. In dem Jahr wurde Stefan Schumacher bei der Tour de France nachträglich positiv auf das Epo-Produkt Cera getestet.
Trotz Nachfrage von Teamchef Hans-Michael Holczer hatte Schumacher erklärt, nichts Verbotenes getan zu haben. Dem Profi aus Nürtingen wird deshalb vorgeworfen, sich die an ihn noch überwiesenen drei Monatsgehälter von mehr als 150 000 Euro erschlichen zu haben. Schumacher streitet das ab, da Holczer die Dopingpraktiken bekanntgewesen seien. Holczer behauptet das Gegenteil.
Spechter sagte aus, dass Holczer kompromisslos saubere Leistungen eingefordert habe. „Das habe ich schon als radikal empfunden.“ Doping gehe bei Holczer „gar nicht“, erinnerte sich Spechter. Er widersprach auch der Aussage des geständigen Sportbetrügers David Kopp, ebenfalls Radrennfahrer, wonach jeder Teamarzt zugänglich gewesen sei für Dopingfragen. Den Fahrern seien von den Medizinern auch verbotene Mittel angeboten worden. „Es ist für mich nicht vorstellbar, dass ein Teamarzt mit Medikamenten rumläuft und offen bewirbt“, sagte Spechter.
Der Sportmediziner aus Passau wies die von Schumacher im Verlauf des Prozesses aufgestellte Behauptung vehement zurück, wonach er dem Ex-Profi Georg Totschnig Synacthen gespritzt habe. Spechter war von 2005 bis 2007 für Gerolsteiner im Einsatz. Laut eigener Aussage sei er in dieser Zeit von Fahrern explizit auf Manipulationsmöglichkeiten angesprochen worden.
„Ich hatte nie Dopingsubstanzen im Angebot. Ich setze nicht meine ganze berufliche Zukunft aufs Spiel, um Sportlern verbotene Präparate zu geben“, sagte Spechter. Er fühle sich durch die Berichterstattung nach der Schumacher-Aussage zu Unrecht an den Pranger gestellt. Er habe nur im Rahmen des Erlaubten geholfen, auch mit Infusionen. Nicht zuletzt weil er gespürt habe, dass solche Hilfe dem Medikamentenmissbrauch Vorschub leiste, habe er sein Engagement bei Gerolsteiner beendet.
Der einst leitende Teamarzt Ernst Jakob, der ebenfalls hätte aussagen sollen, hatte sich mit dem Hinweis auf eine Urlaubsreise entschuldigen lassen. Er werde am 6. August vor Gericht erscheinen, aber von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, erklärte der langjährige Olympiaarzt und Chefmediziner einer Sportklinik. Am Mittwoch hatte Ex-Teamarzt Mark Schmidt per Fax mitgeteilt, dass er bis zum 3. Juli an der Ostsee Urlaub mache und deshalb nicht aussagen könne.