Nach WM-Silber: Martin zweifelt nicht an Fernziel Rio

Ponferrada (dpa) - Nach erfolgreicher Aufbauhilfe durch Mutter Bettina und Freundin Nina hatte der entthronte Rad-Weltmeister Tony Martin seine Motivation wiedergefunden.

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„Es gibt zwei Varianten: Entweder stehe ich enttäuscht am Start, oder ich gehe mit Angriffslust ins Rennen. Meistens ist bei mir Letzteres nach Niederlagen der Fall“, sagte Martin, der im Einzelzeitfahren völlig überraschend Olympiasieger Bradley Wiggins unterlegen war. Nach Platz zwei wäre er am liebsten sofort von der Straßenrad-WM in Spanien abgereist.

Nach einer bisherigen Weltmeisterschaft zum Vergessen - bereits im Mannschaftszeitfahren am Sonntag sprang für den erfolgsverwöhnten Martin nur Platz drei heraus - will sich Martin aber für das Straßenrennen in Ponferrada aufraffen. „Ich versuche mindestens, für John Degenkolb einen guten Job zu machen. Mal schauen, wie weit mich die Beine tragen“, betonte der 29-Jährige. Degenkolb, der nach einem fast einwöchigen Krankenhausaufenthalt wegen eines angeschwollenen Lymphknotens angeschlagen angereist war, ist für den Showdown am Sonntag als Kapitän vorgesehen. Gut möglich, dass aber auch Martin mit einem Ausreißversuch wie bei seinem Tour-Etappensieg in Mulhouse als Trumpfkarte des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) dient.

„Auf dem Kurs ist super viel Kraft-Ausdauer gefragt. Das hat Tony. Bei ihm geht es jetzt vielmehr um die körperliche Frische als um die Motivation“, sagte sein langjähriger Wegbegleiter Rolf Aldag der Nachrichtenagentur dpa. Der zweite Platz sei nun wirklich „kein Drama“, ergänzte der Technische Manager von Martins Omega Pharma-Quickstep-Team. „Er ist ja nicht völlig untergangen.“

Ein zweiter Platz, der auf dem Weg zum Fernziel Olympiasieg 2016 lehrreich sein kann. „Lieber habe ich so einen Tag diesmal bei der WM als in Rio. Das ist ein Erfahrungsschatz, der mir weiterhilft“, sagte Martin, der seinen großen Traum vom Olympia-Gold nicht infrage stellt. „Man darf auch mal Zweiter werden, ohne gleich an sich zu zweifeln. Das ist Sport, das ist ein Eintagesrennen.“

Die große Belastung in dieser Saison führen sowohl Aldag als auch Martin als möglichen Grund für die kleine Schwächephase bei der WM an. „Bei der Tour de France hatte ich eine außergewöhnliche Form. Vielleicht hatte ich meinen Saisonhöhepunkt im Juli“, analysierte der Wahl-Schweizer, der in diesem Sommer gleich zwei Etappen bei der Frankreich-Rundfahrt gewonnen hatte. „Es ist doch vielmehr die Frage: Wie viel will man für einen WM-Titel aufgeben? Will Tony auf so ein Erlebnis wie bei seinem Jahrhundertsieg in den Vogesen bei der Tour wirklich verzichten?“, fügte Aldag hinzu.

2015 sicher nicht. Dann startet die Tour mit einem Zeitfahren in Utrecht, was Martin erstmals in seiner Karriere das Gelbe Trikot bescheren könnte. Im Olympia-Jahr sieht die Situation schon anders aus, was zu Konflikten mit seinem Rennstall führen könnte. Teamchef Patrick Lefevere hat wenig davon, wenn Martin im Nationaltrikot WM- oder Olympiasiege feiert. Vielmehr würde der Belgier seinen Mann mit dem Hochgeschwindigkeitsmotor lieber bei Klassikern wie Paris-Roubaix einsetzen. Das müsse man in Ruhe besprechen, sagt Martin. „Wir haben auch ohne mich ein sehr starkes Team für Roubaix.“

So oder so bleibt ihm aber eines für die Zukunft erspart: Wiggins, der Martin 2012 schon im olympischen Zeitfahren von London besiegt hatte, wird keine WM mehr fahren und richtet nun seine Konzentration auf die olympischen Bahn-Wettbewerbe.