Staatsanwaltschaft schließt Armstrong-Akte - Contador bangt

Berlin (dpa) - Verbandspräsident McQuaid freut sich mit dem (vorerst) entlasteten Armstrong: Der Radsport komme bei der Vergangenheitsbewältigung voran - von wegen. Die Welt-Anti-Doping-Agentur kümmert sich weiter um die Causa.

Zudem droht Rad-Held Alberto Contador eine Dopingsperre.

Lance Armstrong kann sich vorerst beruhigt zurücklehnen. Die US-Staatsanwaltschaft hat die Doping-Akte des siebenmaligen Tour-de-France-Sieger überraschend geschlossen. Weltverbands-Präsident Pat McQuaid wertete das eingestellte Verfahren sogar als positives Zeichen für den krisengeschüttelten Radsport im Kampf gegen Doping - dabei will die amerikanische Anti-Doping-Behörde USADA ihre Ermittlungen gegen Armstrong fortsetzen. Auch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat weitere Konsequenzen angekündigt. Zudem droht dem dreifachen Tour de France-Gewinner Alberto Contador nach seinem positiven Clenbuterol-Befund an diesem Montag eine Zweijahressperre durch den Internationalen Sportgerichtshof CAS. Glaubwürdige Vergangenheitsbewältigung sieht anders aus.

„Ich bin erfreut, dass die US-Staatsanwaltschaft ihre Untersuchungen beendet hat. Es ist die richtige Entscheidung“, meinte der 40 Jahre alte Armstrong, der im Frühjahr 2011 seine Karriere endgültig beendet hatte. Ein gemütlicher Ruhestand im Glanze seiner Triumphe bei der Frankreich-Rundfahrt ist dem Texaner deshalb aber noch lange nicht garantiert. „Anders als die Staatsanwaltschaft ist es unsere Aufgabe, vielmehr den sauberen Sport zu schützen als Strafrecht durchzusetzen“, sagte USADA-Chef Travis Tygart. „Unsere Untersuchungen zum Doping im Radsport gehen weiter und wir erwarten weitere Informationen durch die Bundes-Ermittlungen.“ WADA-Chef John Fahey erwartet zeitnah „die Unterlagen der Staatsanwaltschaft, so dass die Anti-Doping-Agenturen schnell tätig werden können“.

Nach zwei Jahren hatten die Behörden ihre Untersuchungen gegen Armstrong eingestellt. Gründe für diesen Schritt nannten die Juristen in Los Angeles zunächst nicht. Unter Führung von Cheffahnder Jeff Novitzky hatten die Ermittler zu klären versucht, ob während Armstrongs Zeit beim von der Regierung gesponserten Rennstall US Postal ein Dopingprogramm mit dafür zweckentfremdeten Geldern aufgebaut hatte. Der Superstar selbst hatte Doping-Vorwürfe, die ihn während seiner gesamten Karriere begleiteten, stets zurückgewiesen.

Wissenschaftlich ist allerdings zumindest erwiesen, dass Armstrong 1999 bei seinem ersten Toursieg das Blutdopingmittel EPO benutzt hatte. Eine nachträgliche Analyse, die die Zeitung „L'Équipe“ 2005 nach seinem ersten Rücktritt veröffentlichte, belegt das. Trotzdem gab es keine Sanktionen, weil sportrechtliche Richtlinien - eine B-Probe war nicht mehr vorhanden - dagegen sprachen. Auch von ehemaligen Teamkollegen wie dem selbst des Dopings überführten Floyd Landis oder Tyler Hamilton wurde Armstrong mehrfach beschuldigt, leistungssteigernde Mittel genommen zu haben.

„Ich freue mich darauf, mein Leben als Vater, als Wettkämpfer und als Verfechter des Kampfs gegen Krebs ohne diese Ablenkung fortzusetzen“, erklärte Armstrong nach der unerwarteten Wende in seinem Fall. Hans-Michael Holczer, Teamchef des russischen Katusha-Teams, kommentierte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft am Sonntag mit Ernüchterung: „Das hatte ich befürchtet, es kam nicht überraschend. Wahrscheinlich war die juristische Grundlage zu dünn“.

Ähnlich wie Armstrong zeigte sich Pat McQuaid, Boss des Weltverbandes UCI, hocherfreut. „Wir sind sehr glücklich über diese Entscheidung. Der Radsport hat in den vergangenen zwei Jahren sehr gelitten und an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Jetzt liegt die Vergangenheit hinter uns“, sagte der Ire - ausgerechnet einen Tag vor dem ausstehenden Urteil im Dopingfall Contador. 18 Monate nach der Doping-Kontrolle mit den positiven Clenbuterol-Analysen in A- und B-Probe will der CAS an diesem Montag - nach mehreren Verschiebungen - die Causa abschließen.

Das dreiköpfige Gremium mit den Juristen Ephraim Barak (Israel), dem Deutschen Ulrich Haas und Quentin Byrne-Sutton (Schweiz) entscheidet über die sportliche Zukunft des zierlichen Superstars aus Pinto. Bei einem Schuldspruch muss er mit einer Zwei-Jahres-Sperre und der Aberkennung aller Siege seit dem 21. Juli 2010 rechnen. Darunter würden sein dritter Toursieg aus dem Jahr 2010 und sein zweiter Erfolg beim Giro d'Italia 2011 fallen. Der Rad-Held hofft auf Gnade. Monatelang hatte er versucht, sich „abzulenken und meine Tage mit Terminen vollgepackt“, sagte Contador der Zeitung „El Correo“.

Egal, wie das Urteil ausfällt, dessen Verkündung nach der viertägigen Anhörung im November schon mehrmals verschoben wurde: Die viel gescholtene Branche steht als Verlierer schon fest. „Es schadet dem Sport“, so Holczer. Ein Freispruch könnte Verschwörungs-Theorien neue Nahrung geben, eine Verurteilung würde das Mosaik der Dopingfälle im Spitzenradsport weiter bereichern. Contador war bei einer Doping-Kontrolle am 21. Juli 2010, dem zweiten Tour-Ruhetag in Pau, positiv auf das Kälbermastmittel Clenbuterol getestet worden.

Zunächst war der Königliche Spanische Verband RFEC für den umstrittenen Fall zuständig - und hatte Contador im Februar 2011 einen Freispruch erteilt - rechtzeitig zum Start der neuen Saison. Die spanischen Verbandsfunktionäre hatten Contadors Ausführungen von einem „verunreinigten Steak“ als Erklärung für die Clenbuterol-Spuren in seinem Urin geglaubt. Dagegen legten die UCI und WADA Einspruch ein. Der Beschuldigte selbst hat Doping stets bestritten.