Besseres B-Team will Vielseitigkeits-Gold
Malmö (dpa) - Am sonnigen Morgen vor dem EM-Start radelten die deutschen Vielseitigkeitsreiter noch entspannt am Strand entlang. Die sommerliche Idylle an der schwedischen Ostseeküste täuscht jedoch:
Das Team sattelt in Malmö als Titelverteidiger die Pferde - und will trotz eines gewagten Experiments wieder Gold gewinnen.
Bundestrainer Hans Melzer bringt in Schweden eine bessere B-Mannschaft an den Start. Teils unfreiwillig, wegen des Ausfalls von Team-Olympiasiegerin Sandra Auffarth. Größtenteils allerdings freiwillig, weil der Coach ausschließlich auf Pferde setzt, die das erste Mal bei einer internationalen Großveranstaltung für Deutschland im Einsatz sind. „Das ist trotzdem eine starke Truppe“, versichert Melzer im „Monte Carlo der Vielseitigkeit“, wie er das malerische Turniergelände direkt am Öresund nennt.
Melzer sieht sein Team „keinesfalls geschwächt“ und strotzt vor Optimismus. „Es sind drei Reiter aus dem Olympia-Team dabei“, betont der Coach, darunter der Doppel-Olympiasieger Michael Jung. Der 31-Jährige aus dem schwäbischen Horb gehört in Malmö wieder zu den Top-Favoriten, auch wenn er nicht sein Goldpferd Sam sondern Halunke reitet.
„Ich glaube nicht, dass er so viel schlechter ist“, sagt Jung über Halunke. Sein Toppferd Sam ist leicht verletzt, war aber ohnehin nicht für die EM vorgesehen. „Irgendwann muss man mit anderen Pferden ja anfangen“, erläutert Jung, der im Team und im Einzel als EM-Titelverteidiger startet und sich gelassen zeigt: „Entweder es klappt oder es klappt nicht.“
Das ungewöhnliche EM-Experiment hat seinen Grund. „Halunke muss sich beweisen“, erläutert Jung: „Bei einer WM oder bei Olympia geht das nicht.“ Bei einer EM ist der Geländeritt nicht ganz so lang und schwer. Dass Jungs neunjähriger Wallach gleichwohl ausreichend Potenzial für eine Medaille besitzt, bewies er bereits bei den Siegen in Luhmühlen und mit dem deutschen Team im Nationenpreis beim CHIO in Aachen. „An guten Tagen kann der sogar noch besser Dressur gehen als Sam“, sagt Melzer über Halunke.
Nicht nur Jung, auch Ingrid Klimke (Münster) und Andreas Dibowski (Döhle) setzen mit Escada und Avedon auf den Nachwuchs. „Bei einer Europameisterschaft muss man auch mal junge Pferde mitnehmen“, sagt der Bundestrainer: „Das ist unsere Philosophie. Das sind schließlich unsere Toppferde für die Zukunft.“ Bisher hat Melzer mit seiner Strategie meistens richtig gelegen, gewann bei EM, WM und Olympia goldene Medaillen.
Ob es tatsächlich zur Titelverteidigung reicht? „Es ist nicht so, dass es Notnagel sind“, erklärt Melzer, der am Donnerstag vor der tiermedizinischen Untersuchung erstmals die Geländestrecke abging. Andererseits seien Prognosen schwierig, sagt der Coach und verweist auf die Olympischen Spiele vor einem Jahr: „Auch in London war es eng, die Leistungsdichte ist enorm.“