Die deutsche Dressur ist zurück: ohne Starpferd Totilas
Herning (dpa) - Begeistert und aufgekratzt redete die dreifache Medaillengewinnerin über die glänzenden Perspektiven der deutschen Dressur. Nur bei einer Frage stockte die vor Glück strahlende Helen Langehanenberg.
Als sie nach einem möglichen Comeback von Totilas gefragt wurde.
Die 31-Jährige wehrte ab: „Stopp, stopp, stopp!“ Das Thema ist ein sensibles - auch nach der glanzvollen Rückkehr in die Weltspitze. Der spektakuläre Transfer des niederländischen Hengstes sollte der deutschen Dressur nach dem Tiefpunkt bei der Weltmeisterschaft 2010 in Kentucky zu neuen Erfolgen verhelfen. Geschätzte zehn Millionen Euro investierte der Pferdehändler Paul Schockemöhle, ließ die Vorstellung von Totilas pompös inszenieren und versprach der deutschen Dressur eine goldene Zukunft. Die hat die Disziplin tatsächlich, allerdings ohne das teuerste Dressurpferd der Welt.
Für die Führung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) wirkte es wie eine Erlösung, dass ihre Reiterinnen nach einer mehrjährigen Gold-Pause bei der EM in Dänemark endlich wieder ganze vorne mitreiten konnten. Team-Gold und zweimal Silber im Einzel sind eine beachtliche Bilanz nach den mageren Jahren.
„Nach Hongkong hat ein Generationswechsel eingesetzt“, sagte FN-Sportchef Dennis Peiler. Bei den Olympischen Spielen 2008 hatte es die bisher letzte deutsche Goldmedaille gegeben, ehe es mehrere schmerzhafte Niederlagen setzte. In London riss vor einem Jahr auch noch die letzte der vielen deutschen Gold-Serien.
„Wir haben in London den Anschluss hergestellt und hier ein deutliches Zeichen gesetzt, dass wir wieder gewinnen können“, sagte Peiler. Und das mit der jüngsten Gold-Mannschaft, die es in der deutschen Dressur bisher gab.
Isabell Werth hatte in den vergangenen Jahren mehrfach gescherzt, dass sie immer die jüngste im Team sei. In Herning war die jetzt 44-Jährige die mit Abstand älteste Reiterin. Angeführt von der 31-jährigen Langehanenberg mit Damon Hill hat sich die nächste Generation in die Weltspitze vorgeritten. Im Kür-Finale von Herning kamen die 25-jährige Kristina Sprehe (Dinklage) mit Desperados auf Platz fünf und die 23-jährige Fabienne Lütkemeier (Paderborn) mit D'Agostino auf Rang zehn.
„Klar macht einen das hoffnungsfroh“, sagte Langehanenberg. Auf die WM im kommenden Jahr in Frankreich „können wir beruhig schauen, aber auch langfristig wächst Tolles nach.“ Sorgen bereitet dem Verband nur, dass keine Männer nachkommen. „Die müssen mal ein bisschen Gas geben“, scherzte Bundestrainerin Monica Theodorescu.
Matthias Rath wäre mit Totilas der einzige, der derzeit zumindest theoretisch infrage käme. Mit dem einstigen Wunderpferd, das zuletzt 2012 ein Wettbewerb bestritt und frühestens 2014 ein Comeback geben wird, rechnet freilich niemand mehr.
Immerhin glaubt Langehanenberg an ein Comeback des Reiters, mit dem sie privat befreundet ist und zu dessen Hochzeitsfeier auf Mallorca sie reist. Auch wenn sie die Frage zu Totilas lieber nicht beantworten wollte, sagte sie über Rath: „Na klar kommt der Matthias zurück.“