Die Suche nach dem neuen Beerbaum
Balve (dpa) - Die Springreiter-Nation Deutschland sucht den neuen Ludger Beerbaum: Das Casting für die Nachfolger der Generation um den viermaligen Olympiasieger ist schon längst in vollem Gange.
Ein einzigartiges Konzept soll der Deutschen Reiterlichen Vereinigung zu neuen Spitzenkräften verhelfen - mit ersten Erfolgen. Gleich sechs Ausnahmereiter hat die FN in einen Perspektivkader zusammengefasst, von denen sie glaubt, dass sie eines Tages auf der großen Turnierbühne in die Fußstapfen von Beerbaum (49), Meredith Michaels-Beerbaum (43), Marcus Ehning (39) oder Christian Ahlmann (38) treten können.
„Das Potenzial ist da“, sagt Bundestrainer Otto Becker. Mit einiger Spannung blickt er daher auf die Auftritte von David Will (25), Katrin Eckermann (22), Jan Wernke (23), Andreas Kreuzer (22) und Patrick Stühlmeyer (23) beim Championat am Wochenende in Balve. Bei dem Turnier in der sauerländischen Provinz fehlt aus der Perspektivgruppe nur Jörg Oppermann (28), dessen Pferd Che Guevara verletzt ist.
Verbandsintern wird das Sextett die „Jungen Wilden“ genannt - dem abgegriffenen Klischee wollen die Hochbegabten aber so gar nicht entsprechen. „Wir sind nicht besonders wild“, meinte der Pfungstädter David Will. Becker ist von den Nachwuchsleuten angetan. „Sie bringen jene Eigenschaften mit, die Spitzensportler brauchen: Ehrgeiz, Zuverlässigkeit und gute Manieren“, meinte der 54 Jahre alte Bundestrainer. „Sie sind schon sehr weit, sehr erfahren. Wir mussten erst 30 Jahre alt werden, um diese Erfahrungen zu haben.“
Dass Will und seine Kader-Kollegen diese Erfahrungen machen dürfen, ist ein Teil des Konzepts. Becker und sein Assistent Heinrich-Hermann Engemann schickt die sechs Reiter regelmäßig auf große Turniere und in Nationenpreise.
Mit erstaunlichen Ergebnissen: So gewann David Will im März in s'Hertogenbosch das Weltcup-Springen mit seinem Hengst Colorit. Andreas Kreuzer verblüffte, als er mit Chacco Blue vor zwei Jahren den dritten Platz im Großen Preis beim CHIO in Aachen belegte. Auch die anderen Reiter sammelten bereits Preise.
„Es reicht heute für den internationalen Spitzensport nicht mehr aus, einen Parcours gut zu überwinden. Das ganze Umfeld, das Management muss stimmen“, mahnte Becker. Deshalb treffen sich die Mitglieder des Perspektivkaders nicht nur zu sportlichen Lehrgängen, sondern auch zum Medientraining, zu Kursen wie der richtigen Fütterung des Leistungssportlers Pferd und zur Überprüfung der eigenen Fitness an der Sporthochschule Köln.
Das Vorbild lieferten die Vielseitigkeitsreiter, die schon lange vorher mit dieser Art von Nachwuchsförderung begannen und Erfolge feierten. Anders als die Springreiter haben die Vielseitigkeits-Kollegen allerdings auch weniger Probleme, Top-Pferde zu halten. Um dem springenden Nachwuchs langfristig überragende Tiere zu sichern, arbeiten Becker und der Verband daher an Konzepten.
In Balve stehen die Chancen gar nicht schlecht, dass einer aus der jungen Garde etwas erreicht, was Ludger Beerbaum schon neunmal schaffte: deutscher Meister zu werden. Denn Beerbaum, seine Schwägerin Michaels-Beerbaum und Ahlmann sind beim parallel laufenden Super-Turnier in London am Start.