Klimke startet doppelt durch
Beim CHIO tritt die zweimalige Mannschafts-Olympiasiegerin am Donnerstag in der Dressur und Freitag in der Vielseitigkeit an.
Aachen. Für die einen wäre es Stress, für Ingrid Klimke ist es wie ein Aktivurlaub. Kein anderer Reiter absolviert in dieser Woche ein solches Arbeitspensum beim CHIO in Aachen wie die zweimalige Mannschafts-Olympiasiegerin. Beim „Weltfest des Pferdesports“ tritt die 45-Jährige sowohl in der Dressur als auch in der Vielseitigkeit an — in beiden Disziplinen mit Chancen auf vordere Plätze. „Das ist doppeltes Glück“, meinte sie zur ihrer zweifachen Belastung.
Am Donnerstag, am Freitag und am Samstag startet sie in der Dressur mit ihrem neun Jahre alten Wallach Dresden Mann im Grand Prix, im Special und in der Kür, am Freitag und Samstag ist sie mit Hale Bob und Tabasco in der Vielseitigkeit dabei. „Das ist keine sonderlich große Höchstleistung“, wiegelt sie ab. Mit den zwölf Pferden zu Hause in ihrem Ausbildungsstall in Münster habe sie mehr zu tun, da sei Aachen „wie Urlaub“.
Auch wenn für sie der Doppel-Start beim größten Turnier der Welt nichts Außergewöhnliches ist, dokumentiert er doch ihren Ausnahmestatus. Für die Vielseitigkeits-EM Ende August in Malmö gehört sie wieder zum engsten Kandidatenkreis, und auch Dressur-Bundestrainerin Monica Theodorescu wird sie im Hinblick auf die EM im August in Herning genauer anschauen.
In zwei Disziplinen auf Top-Niveau zu sein — das schaffen und schafften nur wenige. „Ingrid hat das von Anfang an gelernt. Das kam nicht plötzlich“, sagt Theodorescu und erinnert an Ingrid Klimkes Vater, den sechsmaligen Dressur-Olympiasieger und hoch erfolgreichen Vielseitigkeitsreiter Reiner Klimke. „Er war genauso. Sie hat das so verinnerlicht. Sie liebt das.“
Wenn Ingrid Klimke je im Schatten ihres 1999 gestorbenen Vater stand, dann ist sie längst aus diesem herausgetreten. Und das nicht nur wegen ihrer sportlichen Erfolge. Viele Experten halten sie für die beste deutsche Reiterin — und eine hervorragende Ausbilderin. Als zweite Frau wurde ihr daher von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung der Titel Reitmeisterin verliehen. Hinrich Romeike, Doppel-Olympiasieger in der Vielseitigkeit 2008, bezeichnete seine Ex-Teamkollegin bei der Ehrung 2012 als „Ikone des Reitsports“.
Sie wird bewundert, wie sie ihr Leben organisiert — als Mutter von zwei Töchtern, Leiterin ihres Stalls, Spitzensportlerin, Trainerin, Buchautorin und diversen anderen ehrenamtlichen Funktionen. Ohne die Familie, ihr Team und ihre Freunde ginge das nicht, betont sie stets.
Anders als bei vielen Stars schafft die Bewunderung in ihrem Fall keine Distanz. Sie ist äußerst beliebt, spricht viel von Freude — und strahlt diese aus. „Für mich ist das Lebensfreude, mit den Pferden zu leben“, ist ein typischer Satz von Ingrid Klimke.
Dass ihre Kraft und Zeit Grenzen hat, musste sie aber erst erkennen. „Ich musste auch mal lernen, Nein zu sagen“, sagt die 45-Jährige. „Wenn ich noch eine Aktion mache, dann muss ich eine andere streichen.“ Am Dienstag machte Ingrid Klimke sich mit ihrem Truck, den Pferden und ihrer jüngsten Tochter auf den Weg nach Aachen — diesmal ließ sie ihre Stallmanagerin steuern. Sie hat beim CHIO schließlich noch einiges vor.
“ CHIO aus Aachen Mittwoch 15 Uhr/WDR