Noch ein Ausfall bei den Springreitern
Aachen (dpa) - Der dritte Ausfall in sechs Tagen: Bei den Springreitern wird es langsam eng. Nach dem desaströsen Auftritt von Marco Kutscher beim CHIO in Aachen wird die Auswahl an Olympia-Kandidaten für Bundestrainer Otto Becker immer kleiner.
Der Schrecken stand Kutscher noch lange nach dem sportlichen Desaster ins Gesicht geschrieben. Fassungslos suchte er im Flutlicht des Aachener Abreiteplatzes nach Erklärungen und den passenden Worten. Zwei Runden mit jeweils 16 Strafpunkten, das hatte der Weltklasse-Springreiter aus Riesenbeck in einem Nationenpreis noch nie erlebt. „Das war ein Scheißabend, anders kann man das nicht nennen“, sagte Kutscher schließlich. Ihm war klar, dass die Olympischen Spiele in London nun ohne ihn stattfinden.
„Das hat nicht dazu beigetragen, dass ich mich empfehlen konnte“, sagte Kutscher mit feiner Ironie. Sein Hengst Cornet Obolensky hatte „ein bisschen den Dienst quittiert“. Das traf den Doppel-Europameister von 2005 völlig unvorbereitet: „Das ist ein Pferd, das eigentlich alles kann.“ Kutscher galt bis zu diesem Abend im Regen von Aachen als gesetzt, doch innerhalb von knapp drei Minuten zerplatzte ein weiterer Olympia-Traum.
„Den Schreck habe ich immer noch nicht verdaut“, gab der Bundestrainer am anderen Morgen zu. Dass die deutsche Mannschaft in dem traditionsreichen Wettbewerb Platz zwei hinter Frankreich und vor Irland belegte, war für Becker eher nebensächlich.
Kurioserweise formulierte Becker fast wortgleich wie Kutscher: „Die Chancen von Marco sind nicht gerade besser geworden.“ Nach der Absage von Carsten-Otto Nagel (Norderstedt) wegen der fehlenden Fitness von Corradina und von Ludger Beerbaum (Riesenbeck) wegen Problemen mit Gotha muss der Coach nun einen weiteren Ausfall verdauen. „Es wird langsam eng“, fasste Becker zusammen.
Was das Fehlen von Kutscher, Nagel und Beerbaum bedeutet, verdeutlicht am besten ein Blick auf die Siegerliste der letztjährigen EM: In Madrid gehörte das Trio zum deutschen Gold-Team. Von der Sieger-Equipe der EM ist jetzt nur noch Janne-Friederike Meyer übriggeblieben. Die Reiterin aus Schenefeld muss sich trotz drei Abwürfen mit Lambrasco beim Nationenpreis keine Sorgen machen, denn die Olympia-Mannschaft stellt sich jetzt fast von alleine auf.
Ihr Ticket sicher haben Christian Ahlmann aus Marl mit Codex One und Marcus Ehning aus Borken mit Plot Blue. Beide glänzten beim Nationenpreis mit doppelten Nullrunden und retteten so den zweiten Platz. „Christian und Marcus waren sehr erfreulich“, sagte Becker und fügte an: „Janne ist auf einem guten Weg.“
Gewinner des Abends war eine Reiter, der gar nicht im Sattel saß und darüber ziemlich verärgert war. Philipp Weißhaupt hatte gegrummelt, weil er im Nationenpreis-Quartett keine Berücksichtigung fand. Ausgerechnet durch den Ausfall von Kutscher, mit dem er zusammen in Riesenbeck im Stall von Ludger Beerbaum arbeitet, hat er nun allerbeste Chancen, zum Olympia-Quartett zu gehören.
„Am Ende muss man froh sein, wenn vier übrig bleiben“, sagte Becker, der schauen muss, wer noch in Frage kommen könnte. Meredith Michaels-Beerbaum (Thedinghausen) mit ihrer eigentlich noch zu jungen Stute Bella Donna und Rene Tebbel (Emsbüren) mit Light on gelten nun als nächste Kandidaten. Bis zum Sonntag haben sie Zeit, sich zu empfehlen.