Vielseitigkeits-EM: Deutsche Reiter räumen ab
Luhmühlen (dpa) - Mehr geht nicht: Mit einem totalen Triumph haben die deutschen Vielseitigkeitsreiter ihren EM-Fluch besiegt. Die Gastgeber-Equipe wurde im heimischen Luhmühlen erstmals seit 38 Jahren Europameister.
Weltmeister Michael Jung aus Horb sicherte sich mit Sam zudem als zweiter deutscher Reiter nach Bettina Hoy 1997 den Einzel-Titel. Und auch Silber und Bronze gingen vor 10 000 Zuschauern an Schwarz-Rot-Gold: Sandra Auffarth kam mit Opgun Louvo bei ihrer ersten EM gleich auf Platz zwei vor Frank Ostholt mit Little Paint. Rang vier belegte in Dirk Schrade mit King Artus ein weiterer Gastgeber.
Erstmals triumphierten die Deutschen damit bei einem kontinentalen Championat sowohl in der Mannschafts- als auch in der Einzel-Konkurrenz - und das ein Jahr vor den Olympischen Spielen in London. Alle EM-Medaillen abzuräumen gelang bislang nur den Briten.
„Das war ein Heimspiel. Wir haben voll zugeschlagen wie im Fußball“, sagte Bundestrainer Hans Melzer. „Ich hatte nie damit gerechnet, dass wir das so souverän hinkriegen.“ Debütantin Sandra Auffarth aus Ganderkesee, Jung und Team-Olympiasiegerin Ingrid Klimke mit Abraxxas verteidigten im finalen Springen ihre souveräne Führung mit 124,3 Strafpunkten vor den Überraschungszweiten aus Frankreich (151,1) und Titelverteidiger (154,6) Großbritannien.
In den letzten Jahren hatten die Deutschen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen regelmäßig Titel und Goldmedaillen geholt. Bei Europa-Championaten gab es für sie meist nur Pleiten. In der Lüneburger Heide nutzten die Gastgeber diesmal aber ihren Heimvorteil konsequent. Die Briten, Team-Weltmeister und achtmal hintereinander Europameister, erlebten ein Jahr vor Olympia in London mit Platz drei ein Debakel.
Einziger Wermutstropfen für die Deutschen war der Ausfall von Andreas Dibowski aus Döhle, der am Samstag mit seiner Stute Fantasia nach einem Sturz im Gelände ausschied. Dennoch erhielt auch der 45-Jährige eine Goldmedaille.
Im Einzel war es indes spannender: Als letzte Starterin war die seit der Dressur führende Ingrid Klimke in den Parcours geritten. Doch die 43-Jährige aus Münster vergab ihre Chance und rutschte nach sechs Abwürfen auf Rang elf. Der Team-Titel war Trost genug: „Auf jeden Fall. Ein Tusch auf die Trainer.“
So durfte Jung nach EM-Platz drei vor zwei Jahren auch über Einzel-Gold jubeln. „Er ist ein unglaublich tolles Pferd in allen Disziplinen“, lobte der Profi seinen Wallach. „Ich bin einfach nur glücklich.“ Auch die 24-jährige Auffarth blieb am Schlusstag ohne Fehler und stieß noch auf den Silber-Platz vor. „Ich kann das noch nicht realisieren“, meinte sie.
Gemischte Gefühle hatte der EM-Dritte Frank Ostholt, der wie der Vierte Schrade nur im Einzel startete. „Ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll“, sagte er. Er profitierte vom Pech seiner Frau Sara Algotsson-Ostholt. Die Schwedin stürzte von Platz drei auf zwölf ab.
Bundestrainer Melzer ist indes ein Jahr vor Olympia zu beneiden. Hinter den Paaren wie Jung/Sam, Auffahrth/Opgun Louvo und Klimke/Abraxxas drängen etliche gute Kombinationen in das Team. Selbst die Verkäufe von Spitzenpferden wie Andreas Dibowskis Leon und Kai Rüders Charlie Weld verkraften die Deutschen derzeit.