Rekord-Schwimmer Lurz genießt zweite Karriere
Würzburg (dpa) - Bei einer Blödelei über ein Comeback für Olympia in Rio muss auch Rekordweltmeister Thomas Lurz lachen.
„Das haben mich ganz viele gefragt, aber ich will in Rio nicht nur teilnehmen. Und eine Goldmedaille herzaubern kann ich mit 37 auch nicht“, erklärt der ehemalige Freiwasserschwimmer und scherzt dann selbst bei der olympischen Vision mit. „Wenn jetzt die Bundeskanzlerin anruft und sagt, wir brauchen für Deutschland unbedingt den Herrn Lurz am Start, würde ich vielleicht... Ach, alles nur Schmarrn.“
Nach seinem Rücktritt ist der Diplom-Sozialpädagoge mit Vollspeed in seiner zweiten Karriere unterwegs. Durch sein vielfältiges Engagement bei einem Würzburger Modeunternehmen (s.Oliver) ist er ausgelastet. So kann er nur selten daran denken, dass in dieser Woche zum ersten Mal seit 2001 eine Schwimm-WM ohne den Dauergewinner beginnt. „Ich bin sehr beschäftigt, daher fällt es mir eigentlich nicht so auf“, sagte Lurz. „Aber ein bisschen komisch ist es schon.“
Vor drei Monaten setzte der Siegertyp den Schlussstrich unter eine einzigartige Karriere. „Es wird die nächsten 100 Jahre keinen wie ihn mit zwölf Weltmeistertiteln geben. Das ist schon außergewöhnlich. Ich sehe keinen, der in die Fußstapfen treten kann. Auch international nicht“, erklärte Bundestrainer und Bruder Stefan Lurz. Sechs Medaillen, vier davon mit Thomas Lurz'scher Beteiligung, gab es bei der WM 2013 in Barcelona. Jetzt wäre das Team, das auf seinen Besten auch als Zuschauer vor Ort verzichten muss, schon mit zwei Plaketten zufrieden.
Die Titelkämpfe in Barcelona, als sich Thomas Lurz mit offenen Wunden an Hals und Achseln zum WM-Titel über 25 Kilometer quälte, waren für ihn eine wichtige Etappe auf dem Weg zum Karrierenende. „Auf dem Siegerpodest bei der Hymne hat er gemerkt, es war vollendet“, schilderte Bruder Stefan einen der vielen gemeinsamen emotionalen Karrieremomente. „Abgegrast“ seien die Weltmeisterschaften gewesen, sagt der Ausnahmeathlet selbst.
„Das war eine super Weltmeisterschaft und danach gab es kein Ziel mehr bei Weltmeisterschaften, bei denen ich alle Disziplinen gewonnen hatte. Es gab sowieso nur ein Ziel: Olympia in Rio“, beschrieb Thomas Lurz. „Mit 30 ist man schon alt fürs Schwimmen, mit 37 ist man uralt, vorausgesetzt man will nicht nur teilnehmen, sondern auch gewinnen. Und wenn ich sehe, dass das nicht möglich ist aufgrund meines Alters, dann muss man aufhören.“ Denn Dabeisein war für ihn noch nie Alles.
Die Konsequenz, die Lurz bei all seinen jährlichen einigen tausend Trainingskilometern, seinen vielen Wettkämpfen und bei den ungezählten Siegen an den Tag legte, offenbarte er also auch bei seiner letzten Entscheidung als Leistungssportler. „Das Schlimmste ist, in der Vergangenheit zu leben und von den Erfolgen zu träumen“, erklärte der mehrmalige Weltschwimmer des Jahres. „Es war mir wichtig, den Sprung als Sportler ins Berufsleben zu schaffen. Ich glaube, das ist mir sehr gut gelungen.“
Alles, was es im Freiwasserschwimmen zu gewinnen gibt, hat der frühere Beckenschwimmer gewonnen. Außer eben olympischem Gold. „Klar wurmt einen das schon ein bisschen, aber es gab auch nur zwei Rennen für mich, das 2008 in Peking und 2012 in London. Man muss da sportlich fair sein, wenn einer an dem Tag besser war“, betonte der tadellose Sportsmann. „Man muss mit manchen Dingen einfach zufrieden sein, ich hatte eine wahnsinnig erfolgreiche Karriere. Jetzt gebe ich Gas für die nächste.“
Vom Testpool der Nationalen Anti Doping Agentur NADA als Voraussetzung für Starts hat sich Lurz noch nicht abgemeldet. „Man weiß ja nie...“, sagte Lurz, „vielleicht wache ich irgendwann auf, bin 20 Zentimeter gewachsen und fühle mich nochmal bereit. Aber aktuell habe ich nichts vor“. Und ohne die Aussicht auf Siege wird sich daran auch nichts ändern.