Fußball Risiko eines Jahrhunderttrainers

Das Pokal-Aus gegen Werder Bremen hat gezeigt, wie tief Schalke in Problemen steckt. Huub Stevens droht, seinen Ruf aufs Spiel zu setzen.

Schalkes Trainer Huub Stevens, versunken in Gedanken.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Die Fans der TSG Sprockhövel dürfen sich auf den Freitagabend freuen. Der Oberligist trifft auf den FC Schalke 04. Nabil Bentaleb, Rabbie Matondo, Hamza Mendyl und Cedric Teuchert werden dann wohl im Stadion „Im Baumhof“ auflaufen. Es handelt sich dabei aber nicht um ein Freundschaftsspiel, bei dem der Bundesligist testet. Der Oberligist trifft auf die zweite Mannschaft der Schalker, die dann aller Voraussicht nach mit den von Interimstrainer Huub Stevens degradierten Profis auflaufen wird.

Rund 40 Millionen Euro Ablösesumme werden dann am Rande des südlichen Ruhrgebiets in der fünften Liga auflaufen – was viel über die immensen Probleme der Königsblauen aussagt. „Ich habe viele Fehler gemacht in den letzten drei Wochen. Ich weiß nur nicht, welche“, hatte Stevens nach dem Viertelfinal-Aus im DFB-Pokal gegen Werder Bremen (0:2) geknurrt und dabei einen kleinen Einblick in sein Seelenleben gegeben. Schließlich hat auch Stevens eine Menge zu verlieren, wenn seine „Mission Klassenerhalt“ am Ende schief gehen sollte.

Ein Schalker Jahrhunderttrainer, der mit „seinem Klub“ in die 2. Liga absteigt – das ist wohl nicht nur für Stevens selbst ein Albtraum, den er unbedingt verhindern will. Und so zieht er alle Register seiner langjährigen Erfahrung und macht auch vor Degradierungen nicht Halt, wenn er sie für zwingend nötig erachtet. „Ich weiß, woran es liegt, aber das werde ich nicht sagen. Ich bin doch nicht verrückt“, sagte Stevens nach der Partie gegen Bremen. Nach dem nächsten Tiefschlag, Pokal ade. Dieses Statement des Niederländers dürfte vor allem als verklausulierter Hinweis auf die völlig verfehlte Personalpolitik von Ex-Sportvorstand Christian Heidel zu verstehen sein.

Zumindest erste Nuancen von Stevens’ Arbeit sind zu erkennen. Die Schalker Mannschaft wirkt in der Defensive aggressiver und das Team insgesamt ein wenig gefestigter. Die Intensität des Schalker Spiels hat zugenommen. Doch die eklatanten Qualitätsmängel in der Offensive kann auch Stevens in der Kürze der Zeit nicht beheben.

Fehlende spielerische Ideen, kaum Torschüsse: Die Schalker bieten in dieser Saison weiterhin ein offensives Trauerspiel dar. „Zwingende Torchancen hatten wir gar nicht“, urteilte Torhüter Alexander Nübel nach dem Pokalaus gegen Werder. In den vergangenen vier Bundesliga-Heimspielen sowie im Pokal am Mittwochabend blieben die Schalker ohne eigenen Treffer. Und da auch die Abwehr in dieser Spielzeit alles andere als ein Bollwerk ist und sich immer wieder haarsträubende Fehler erlaubt, war die Pleite zwangsläufig. Stevens stellte dann kurz und knackig fest, weshalb die Schalker auch in der dritten Partie gegen die Hanseaten in dieser Saison unterlagen: „Weil Werder Bremen besser war.“

Finanziell nicht komfortabel nach 160 Millionen Investionen

Und so groß und mühsam die Aufgabe für Stevens erscheint, die Schalker auf den letzten Metern der Saison noch aus höchster Seenot zu befreien – am Samstag empfangen die Königsblauen die überaus formstarke Frankfurter Eintracht - so komplex erscheinen auch die Anforderungen an Jochen Schneider. Dem neuen Sportvorstand muss bis zum Beginn der Sommervorbereitung nicht weniger gelingen, als einen neuen Trainer, einen Teammanager, einen technischen Direktor und viele neue Spieler zu verpflichten. Sowie einen Großteil der Heidel’schen Transfers wieder rück­abzuwickeln und dabei möglichst geringen finanziellen Verlust hinzunehmen. Denn die monetäre Ausstattung des Klubs ist nach den rund zweieinhalb Jahren unter Heidel, der rund 160 Millionen Euro (fehl-) investiert hat, alles andere als komfortabel.

Einer der Schalker Trainerkandidaten hat am Donnerstagmorgen bereits wissen lassen, dass er nicht zur Verfügung steht. Ex-Leverkusen-Coach Roger Schmidt bleibt offenbar lieber Trainer in China, als die überaus anspruchsvolle Aufgabe in Gelsenkirchen anzunehmen. Als Teammanager ist unter anderem Christoph Metzelder im Gespräch, der allerdings außer einer imposanten Spieler-Karriere (Borussia Dortmund, Schalke 04, Real Madrid) noch keinerlei Erfahrung in einem administrativen Job in der Bundesliga hat und auch beim DFB hoch im Kurs stehen soll. Schneider dürfte momentan jedenfalls kaum wissen, wo und wann er mit seiner Arbeit auf diesen vielen verschiedenen Feldern beginnen soll.

Es hat in diesem großen Ruhrgebietsklub in den vergangenen Jahren immer wieder größere und kleinere Umbrüche mit Trainer- und Spieler-Wechseln gegeben. Die Dimension der aktuellen Probleme erscheint allerdings so umfangreich, dass die Schalker einen ziemlich ausgefeilten Plan benötigen, um in der nahen Zukunft wieder in der Lage zu sein, im oberen Tabellendrittel der Bundesliga mitzuspielen. Es gab in der jüngeren Vergangenheit schließlich genug Beispiele von Traditionsvereinen, die den Anschluss vollständig verloren haben. Die neuen Schalker Verantwortlichen benötigen in den kommenden Wochen allesamt ein glückliches Händchen, um die derzeit rasante Talfahrt des Klubs noch vor dem Totalschaden abzubremsen.