„Team D“ funktioniert in Südkorea — warum eigentlich?
Schon zur Halbzeit hat Deutschland mehr Goldmedaillen gesammelt als 2014 in Sotschi. Der Druck ist deutlich geringer.
Pyeongchang. Es sind wunderbare Bilder jeden Abend im Deutschen Haus. Irgendjemand hat immer irgendwas zu feiern. Erst wird mitgezittert, später gejubelt. Zuletzt mit dem deutschen Rodlerteam, das bereits in der ersten Woche durch seine Goldmedaille die deutsche Gesamtbilanz von Sotschi verbessert hat. Es ist Gold Nummer neun, in Russland waren es am Ende nur acht. Es läuft im „Team D“, wie sich die deutschen Olympiagesandten nach Zusammenarbeit mit einer findigen Werbeagentur nennen. Doch warum ist das eigentlich so?
Snowboardcrosser Konstantin Schad hat eine „gute Stimmung“ innerhalb des Teams festgestellt. Auch weil der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) von seinen extrem ehrgeizigen Medaillenforderungen abgerückt sei. Schad war auch vor vier Jahren in Sotschi dabei. Er sagt: „Dort hat man eine Fresse gezogen, weil wir so wenige Medaillen hatten. Das fand ich armselig.“
Nun sei der Druck deutlich geringer, die Stimmung deutlich besser, und schon kommen die Ergebnisse. Sein Kollege Paul Berg aus Konstanz hat eine einfache Erklärung für den Aufschwung: „Das sind einfach gute Sportler. So macht es für alle mehr Spaß.“
Und der Kombinierer Eric Frenzel, der mit seinem Gold einen Teil zur starken Zwischenbilanz beigetragen hat, sagt: „Wir sind alle gut drauf momentan. Meine ganze Saison war darauf ausgerichtet, beim Höhepunkt topfit zu sein.“ Das ist er. Dass er dafür schwächere Ergebnisse im Weltcup in Kauf nehmen musste, belastet ihn nicht. Offenbar ist aus den Fehlern von Sotschi gelernt worden.
Die Zusammenarbeit zwischen dem DOSB und den Verbänden ist intensiviert und verbessert worden. „Die bisherigen Tage waren für Leistungssportbegeisterte schon ein Geschenk“, sagt Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig. „Das ist ein überragendes Ergebnis, das ist sehr begeisternd.“ Auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann verbringt entspannte Abende im Deutschen Haus. Er ist viel gelassener als noch vor vier Jahren. Er weiß aber auch, dass eine gute Zwischenbilanz nicht zwingend zu einem überragenden Ende führen muss. „Ich warne, die ersten Tage auf das Ende hoch zu rechen und zu sagen: Es kann nichts mehr schief gehen“, sagt Hörmann.
In Vancouver 2010 hatte das deutsche Team 30 Medaillen gesammelt. In diese Richtung bewegen sich die Athleten auch in Südkorea. Schimmelpfennig warnt: „Es wird noch Tage geben, an denen wir leer ausgehen“, sagt er.
Zu den fleißigen Medaillensammlern gehören erneut die Rodler. Gold im Team, bei den Frauen und im Doppelsitzer — das ist beeindruckend. Nur bei den Männern riss die Serie von Felix Loch. Rodeln können die Deutschen also. Attraktiv aber scheint der Sport für den Nachwuchs nicht. Jedenfalls sagt Bundestrainer Norbert Loch: „Die Quantität im Nachwuchs fehlt.“ Und das obwohl sich Deutschland gleich vier Bahnen leistet. Der Bob- und Schlittenverband hat aber gerade mal 100 Vereine und 8000 Sportler.
Andere sind beliebter: Biathlon sehen die Deutschen am liebsten. Das hat eine so große Tradition wie Rodeln oder die Nordische Kombination. Mit den Skispringern zusammen sind das jene Sportarten, die in der Hauptsache für das schöne Bild im Medaillenspiegel sorgen. Und dementsprechend natürlich besonders gefördert werden. Eine echte Wechselwirkung. Das freut nicht jeden. „Wir sind von der Ausstattung weit weg vom Biathlon“, sagt Stefan Knirsch, der sportliche Leiter der deutschen Snowboarder.
Das hängt mit fehlender Tradition zusammen, zum anderen mit den fehlenden Medaillen. „Natürlich könnten wir besser argumentieren, wenn wir eine Medaille hätten“, sagt Knirsch nach den Wettkämpfen im Snowboardcross, die für Deutschland medaillenlos geblieben sind. Er hofft auf Besserung, auch wenn „das deutsche Sportverständnis noch nicht so weit ist, den anderen Weg der neuen Sportarten mitzugehen. Aber Deutschland ist nicht die Welt“.
Knirsch nennt ein Beispiel: „Wenn ich hier durch die Stadt gehe und in die Skiverleihe, brauche ich nicht einmal zwei Hände, um die Skier zu zählen. Bei den Snowboards brauche ich mehr als zwei Hände, um nur die Geschäfte zu zählen.“ Soll heißen: Andernorts spielen die Snowboarder eine bedeutendere Rolle. Das mag sein, hilft Knirsch aber nicht. Sein Verband ist in Deutschland beheimatet, also muss er sich den Begebenheiten beugen. Und die heißen: So lange Rodler, Biathleten, Skispringer oder Kombinierer erfolgreich sind, spielen sie bei der Förderung die Hauptrolle.