Herr Pohmann, Steffi Graf wird heute 50. Was geht Ihnen als ihr langjähriger Wegbegleiter dabei durch den Kopf?
Interview Zum 50. Geburtstag – Wie Steffi Graf heute tickt
Als ehemaliger Tennisspieler und ARD-Reporter hat Hans-Jürgen Pohmann Steffi Graf Jahrzehnte begleitet. Heute wird sie 50 – und Pohmann erzählt von einem außergewöhnlichen deutschen Sportstar.
Hans-Jürgen Pohmann: Ihre herausragende sportliche Stellung über ein Jahrzehnt hinweg ist auch im Nachhinein betrachtet faszinierend. Ich habe gerade gestern mit ihr telefoniert. Und sie sagt selbst, dass sie ihren Geburtstag gar nicht richtig wahrnimmt. Das ist für sie kein besonderes Datum.
Persönliche Jubiläen sind Steffi Grafs Sache nicht?
Pohmann: Null. Sie ist ja ohnehin sehr zurückhaltend und zieht sich sehr ins Private zurück. Steffi findet Feierlichkeiten fürchterlich, ganz grundsätzlich. Das war schon immer so bei ihr.
Woran liegt das?
Pohmann: Das ist ihre Persönlichkeit. Sie wollte nie im Rampenlicht stehen, ist sehr zurückhaltend, fast schüchtern. Und wenn man sie genau kennt, dann weiß man auch, dass sie sensibel ist. Sie will dieses Rampenlicht überhaupt nicht. Sie ist kein Glamour-Girl.
Fasziniert das die Menschen vielleicht gerade besonders an ihr? Dass Sie nicht wie andere vor und nach ihr die Klatschpresse bedient hat und schlicht überrepräsentiert ist?
Pohmann: Vielleicht. Das hat sie ja auch toll gemeistert. Sie hat ihr Privatleben in Las Vegas und ist dort anonym. Es zeichnet sie aus, dass sie die Schlagzeilen nicht braucht. Sie wird ihren Geburtstag am Freitag im kleinen Familienkreis mit einem Grillabend feiern. Ihre Mutter lebt ja in Las Vegas, genauso wie ihr Bruder.
Wenn Sie sich an 25 Jahre erinnern, die sie Steffi Graf zumeist journalistisch begleitet haben. Was ist Ihnen besonders in Erinnerung?
Pohmann: Der erste Erfolg mit 17 Jahren in Berlin gegen Martina Navratilova. Das war eine Sensation und damals ein gesellschaftspolitisches Ereignis in Berlin. Ihr Durchbruch. Und dann hat sie 22 Grand-Slam-Triumphe gesammelt. Sie müssen sich vorstellen: Steffi hat 107 Turniere gewonnen. Sie war 387 Wochen Weltranglistenerste. Das sind Rekorde, die du nicht brechen kannst. Aber was Volker Kottkamp (ebenfalls ARD-Journalist) und mich besonders beeindruckt hat, war der Erfolg 1987 im Federation-Cup gegen die USA in Vancouver. Wie sie mit ihrer Freundin Claudia Kohde-Kilsch das entscheidende Doppel gewann und beide auf dem Platz herumgetanzt sind. Wir kamen gerade erst aus Hartford (USA) mit dem historischen Match von Boris Becker gegen John McEnroe. Es waren wahnsinnige Zeiten.
Und „Freundin“ Kohde-Kilsch meinen Sie hier durchaus ironisch.
Pohmann: Genau. Das waren sie nämlich nicht.
Vater Peter Graf hat immer eine prägende und auch dominante Rolle gespielt. 2013 ist er gestorben. Was bleibt von ihm haften?
Pohmann: Wie immer man ihn kritisieren mag: Er hat die Basis gelegt für die Tochter. Er hat frühzeitig das überragende Talent erkannt und es auch konstant gefördert. Das hat ja am Anfang auch Geld gekostet. Ich habe Stefanie Graf als Zwölfjährige damals in Berlin gesehen, da war ich Berliner Landestrainer. Und als sie 13 Jahre alt war, habe ich sie durch einen Zufall auf Fuerteventura getroffen im Hotel „Tres Islas“. Vater Graf hat gefragt, ob ich mal mit ihr spiele. Das habe ich 45 Minuten gemacht und war sowas von begeistert von der Beinarbeit, von ihrer Vorhand: Treffpunkt vor der linken Hüfte, Gewichtsübertragung, das war faszinierend. Man nannte sie dann ja ,Fräulein Vorhand’. Wir sprachen über ihren Rückhand-Slice, von dem die Tennis-Welt nicht überzeugt war. Aber sie hatte kein Gefühl für einen überrissenen Ball. Da haben wir gesagt, dass sie ihn von oben nach unten spielen muss. Daraus entstand wieder ein einzigartiger Schlag. Es hat sich danach eine große Vertrauensbasis entwickelt zwischen uns beiden.
Worüber reden Sie heute mit ihr?
Pohmann: Wir reden regelmäßig am Telefon. Dann über private Sachen. Und ein bisschen über das Tennis. Aber nicht mehr sehr viel. Sie wird auch im August in Berlin sein, meist ist sie ein Mal im Jahr in Deutschland.
Der ehemalige Fed-Cup-Trainer Klaus Hofsäss hat kürzlich gesagt, die Steffi von damals würde heute eine Topspielerin wie Serena Williams besiegen. Einverstanden?
Pohmann: Ja, würde sie. Da ist sie besser. Das ist nicht zu vergleichen, obwohl die Williams auch eine herausragende Spielerin ist und eine harte Gegnerin wäre. Aber die anderen, die da heute rumlaufen, würde sie glatt besiegen. Allein vom Körper her spielte sie in ihrer eigenen Liga.
Und ist sie auch heute noch fit?
Pohmann: Klar. Sie geht laufen, spielt ein bisschen Tennis. Und zwar heute noch unglaublich.
Müsste Steffi Graf im deutschen Tennis nicht heute noch eine Rolle an verantwortlicher Stelle spielen?
Pohmann: Die Zeit ist komplett vorbei für sie, das hat sie nie interessiert. Aber natürlich wären die Beziehungen zu den Organisationen und den Turnieren heute noch ein Vorteil für den DTB. Aber daran ist nicht zu denken.
Und die Kinder von Steffi Graf und Andre Agassi eifern den prominenten Tennis-Eltern nach?
Pohmann: Der Sohn spielt Baseball und die Tochter ist Hip-Hop-Tänzerin. Sie merken, die Familie Agassi/Graf ist voll in den USA angekommen.