Asarenkas Sieg zweifelhaft - Li Na schockt Scharapowa
Melbourne (dpa) - Die Pressekonferenz kam einem Tribunal gleich. Wie ein Häufchen Elend saß Victoria Asarenka im Medienraum der Rod Laver Arena. Dass sie zuvor zum zweiten Mal nacheinander das Finale der Australian Open erreicht hatte, war der Weißrussin wahrlich nicht anzusehen.
Fast ängstlich blickte sie hinauf zu den Journalisten, die alle nur eines wissen wollten: Was war wirklich geschehen, als sie im Halbfinale gegen US-Darling Sloane Stephens beim Stand von 5:4 im zweiten Satz und nach zuvor fünf vergebenen Matchballen den Centre Court verlassen hatte, um eine medizinische Auszeit zu nehmen?
„Ich konnte nicht mehr atmen. Eine Rippe im Rücken war blockiert, deshalb hat der Arzt gesagt, dass wir in die Kabine müssen“, erklärte Asarenka. Unmittelbar nach dem 6:1, 6:4 gegen Stephens hatte die Nummer eins der Welt im Kurz-Interview auf dem Court gesagt, der bevorstehende Einzug ins Endspiel habe Panik bei ihr ausgelöst, weshalb sie sich in den Katakomben erst einmal habe beruhigen müssen.
Eine Angst-Attacke als Grund für eine medizinische Auszeit? Und das bei diesem kritischen Spielstand? Die Wogen schlugen hoch im wieder extrem heißen Melbourne. Asarenka, früher als verbissene Zicke auf der Tour verschrien, zuletzt aber endlich akzeptiert und von den Fans sogar geliebt, hatte der erst 19 Jahre alten Stephens übel mitgespielt - darin waren sich alle einig. Auch die Zuschauer. Während Stephens, am Tag zuvor sensationelle Siegerin im amerikanischen Generationen-Duell gegen Serena Williams, mit Ovationen verabschiedet wurde, blieb der Applaus für Siegerin Asarenka zurückhaltend kühl.
„Ich bedauere, dass ich die Auszeit nicht etwas früher genommen habe, das war meine Schuld“, räumte Asarenka ein. „Aber ich war nicht gestresst oder habe gezittert, weil ich das Spiel nicht abschließen konnte, sondern weil ich keine Luft mehr bekommen habe“, meinte die 23-Jährige. „Ich hatte so etwas noch nie, deshalb bin ich fast ausgeflippt vor Angst.“ Ihre unglückliche Antwort direkt nach der Partie führte sie auf ein Missverständnis zurück.
Es war schon bitter für Asarenka, dass nach der Partie niemand mehr über ihre beeindruckende Vorstellung sprach. Denn auch wenn Stephens nicht an die bärenstarke Leistung beim Coup gegen ihr Vorbild Serena Williams anknüpfen konnte, der Auftritt der Titelverteidigerin war beeindruckend. Druckvoll und präzise in ihren Grundlinienschlägen ließ sie Stephens keine Chance und steuerte beim Stand von 6:1, 5:3 einem einfachen Sieg entgegen.
Doch dann vergab sie fünf Matchbälle, verschwand für fast zehn Minuten vom Platz, um dann wiederzukommen und Stephens das Service zum 6:4 abzunehmen. Das erneute Finalticket hatte sich Asarenka damit gesichert, doch die Sympathien der Fans und Beobachter verspielt. Nur Stephens machte um die Vorkommnisse wenig Aufhebens. „Wenn sie eine medizinische Auszeit nimmt, dann wird das schon einen Grund gehabt haben“, meinte die Amerikanerin nach dem ersten Grand-Slam-Halbfinale ihrer Karriere. „Sie hat einfach richtig gut gespielt.“
Das konnte man auch von Li Na sagen. Die Chinesin erteilte der Russin Maria Scharapowa im ersten Halbfinale eine Lehrstunde und stürmte in ihr zweites Melbourne-Endspiel nach 2011. „Ich bin wirklich heiß auf diesen Titel“, sagte die 30-Jährige nach ihrer Gala-Vorstellung. Scharapowa, die zuvor im gesamten Turnierverlauf ganze neun Spiele abgegeben hatte, erkannte die Leistung der Asiatin neidlos an. „Es gibt keinen Grund, warum sie das Turnier jetzt nicht gewinnen sollte.“