Aus bei US Open & Davis-Cup-Rumgeiere: Zverev in der Krise
New York (dpa) - Eine halbe Stunde nach Mitternacht stand Alexander Zverev in den Katakomben des Arthur-Ashe-Stadiums und wirkte kolossal genervt.
Weil der 19 Jahre alte Tennisprofi aus Hamburg so schnell wie möglich weg wollte von der Anlage im New Yorker Stadtteil Queens, war noch nicht einmal die obligatorische Pressekonferenz angesetzt.
Im Stehen beantwortete Zverev in der Nacht zum Freitag sichtlich unwillig und frustriert auf dem Gang ein paar Fragen zu seiner Zweitrunden-Niederlage bei den US Open. Aber als es darum ging, ob er im Abstiegsduell gegen Polen für das deutsche Davis-Cup-Team auflaufen werde, warf der Teenager die Worte „Ist immer noch zu früh“ in die kleine Runde und verschwand.
Als letzter von anfangs acht deutschen Tennis-Herren verabschiedete sich der hochgehandelte und zuletzt schwer enttäuschende Zverev vom vierten und letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres. 4:6, 4:6, 7:5, 2:6 lautete das deprimierende Ergebnis gegen Daniel Evans, Nummer 64 der Weltrangliste aus Großbritannien. „Ich habe schlecht gespielt. Ich habe gar keine Ahnung gehabt, was ich auf dem Platz mache“, sagte er.
Ganz anders hatte sich kurz zuvor Laura Siegemund präsentiert. Obwohl schwer erkältet, sprudelte es nur so aus der Spätstarterin heraus, die sich ein Drittrunden-Match gegen Venus Williams erkämpft hatte. „Das ist ein geiles Gefühl. Ich fühle mich nicht so frisch wie ein junges Reh, bin aber super happy und stolz darauf“, sagte die 28-Jährige, nachdem sie gegen Nicole Gibbs aus den USA ihren siebten Matchball zum 6:3, 7:5 genutzt hatte.
Während sich Siegemund also über die beste Phase ihrer Laufbahn freuen kann, durchlebt der als deutsches Top-Talent gepriesene Zverev gerade die erste kleine Krise seiner noch jungen Karriere. Nach dem rasanten Aufstieg bis auf Platz 26 der Branchenwertung und dem von vielen Experten prognostizierten Top-Ten-Potenzial muss Zverev sportliche Rückschlage einstecken und Lernprozesse abseits der schillernden Tennisplätze dieser Welt über sich ergehen lassen.
In Toronto schied er zuletzt in Runde eins gegen Lu Yen-Hsun aus Taiwan aus und sagte anschließend wegen Erschöpfung seine Teilnahme an den Olympischen Spielen ab. Das rief nicht nur innerhalb des Deutschen Tennis Bundes und des Deutschen Olympischen Sportbundes Unverständnis hervor, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung.
Direkt nach Olympia trat Zverev beim Turnier in Cincinnati wieder an, kassierte aber eine Erstrunden-Pleite gegen den japanischen Qualifikanten Yuichi Sugita. Jetzt war der 1,98 Meter große Schlaks der einzige ernstzunehmende deutsche Anwärter auf die zweite US-Open-Woche, doch mehr als den mühsam errungenen Auftaktsieg im deutschen Duell mit Daniel Brands hinterlässt Zverev nicht im Siegerprotokoll.
Dass er über die nervige Warterei wegen des nachmittäglichen Regens und die mehrmalige Verschiebung seiner Partie von einem Platz zum anderen schimpfte, war dem verständlichen Frust zuzuschreiben. Dass er sich allerdings eine Woche vor dem Ende der Nominierungsfrist nicht klar für oder gegen einen Davis-Cup-Einsatz im wichtigen Relegationsspiel gegen Polen vom 16. bis 18. September in Berlin positioniert, provoziert erneut Kopfschütteln. Der Eindruck bleibt, dass Zverev auf die Partie auf Sand offenbar wenig Lust verspürt.
Selbst beim DTB scheinen sie nicht mit einem Einsatz Zverevs zu rechnen. „Es ist wichtig, dass ich hier vor Ort bin und viele Gespräche führen kann“, hatte Bundestrainer Michael Kohlmann vor dem Turnier angekündigt. „Ich werde sehen, wie viel Sinn es bei welchem Spieler macht und auf wen ich mich verlassen kann.“ Nach seinem Erstrunden-Sieg hatte Zverev erklärt, dass ihn bislang niemand nach einem Einsatz für das Nationalteam gefragt habe.