Gegen Portugal Becker vor Davis-Cup-Premiere als Herren-Chef
Lissabon (dpa) - Boris Becker widersprach. Als Typ guter Onkel würde er seine neue Rolle im Davis Cup nicht definieren. „Ich bin wie ein Großvater“, beschrieb der 49-Jährige, der sich in den kommenden Tagen in seiner neuen Position erstmals präsentieren wird.
Am Mittwoch tritt er seine erste Dienstreise als Herren-Chef im deutschen Tennis zur Abstiegsrelegation in Portugal an. Von Freitag bis Sonntag wird Becker in Lissabon seinen Einstand geben. Sogleich droht ihm eine Blamage, falls der Einsatz mit dem Abstieg endet.
Alexander und Mischa Zverev sowie Philipp Kohlschreiber und damit die drei besten deutschen Profis haben Teamchef Michael Kohlmann aus unterschiedlichen Gründen abgesagt. Auch nach der Rückkehr von Becker bleibt der Davis Cup nicht das reizvollste aller sportlichen Ziele. So muss der dreimalige Wimbledonsieger bei seiner Premiere gewohnten Zwist und Ungereimtheiten im Herren-Team moderieren.
Als eine Art Großvater also tritt er an. „Im Sinne von ich habe das alles schon gemacht, was ihr versucht, umzusetzen, fragt einfach, wie es sich anfühlt“, sagte Becker und erklärte: „Ich bin nicht Kapitän, ich kann mich also nicht um all das kümmern, was Michael Kohlmann macht.“ Dennoch wird der Leimener die Aufmerksamkeit erst einmal auf sich ziehen und damit von Kohlmann ablenken. Ebenso wie von den eigentlichen Ersatzspielern Jan-Lennard Struff, Cedrik-Marcel Stebe, Yannick Hanfmann und Tim Pütz, die es nun richten sollen.
„Ich gebe vielleicht Sicherheit. Ich habe breite Schultern, mich stört das nicht. Ich kann die beschützende Rolle ausüben“, behauptete Becker. Für die Absage des 20 Jahre alten Weltranglisten-Vierten Zverev machte er dessen Management verantwortlich. Bei den US Open hat der neue DTB-Verantwortliche allerdings nur mit dem älteren Bruder von Alexander Zverev gesprochen. Verständnis, dass der Davis Cup nicht in die individuelle Planung passt, hat er sowieso.
Der Stellenwert ist aus seiner Sicht gesunken. „Davis Cup in den 80er, 90er Jahren war etwas anderes. Wir vergleichen es gerade in Deutschland immer mit der rosaroten Brille“, sagte der Wahl-Londoner. „Die Zeiten haben sich geändert. Wir können nicht davon ausgehen, dass ein Spieler automatisch immer Davis Cup spielt.“
Sicherlich ist Alexander Zverev international längst nicht der einzige Topspieler, der dem Teamwettbewerb keine Priorität einräumt. Seinem Image hätte ein Einsatz in Diensten des Verbands allerdings durchaus gut getan. Ruhm und Geld verdient ein Tennisprofi aber vor allem mit Grand-Slam-Titeln.
Drei Wochen ist es jetzt her, dass Becker überraschend zum DTB zurückkehrte. Was er vom neuen Herren-Chef erwarte, wurde Kohlschreiber bei den US Open gefragt. „Da muss mir erst mal jemand sagen, was ein Head of Tennis ist“, antwortete der 32-Jährige, meinte aber auch: „Sein Knowhow im Tennis ist unbestritten sehr hoch.“
Geld verdient Becker, der mit finanziellen Problemen in die Schlagzeilen geraten ist, beim Verband nicht. Als Herren-Chef will er auch Ratgeber für Profis und Trainer, Nachwuchsförderer und Moderator sein. Mit seiner Hilfe soll sich die Zahl der Deutschen bei Grand-Slam-Turnieren von 17 wie gerade bei den US Open noch erhöhen.
Für die Zukunft reizt ihn auch der Job als Trainer von Alexander Zverev. „Wir haben auch darüber gesprochen, aber ich glaube nicht, dass das, was ich ihm heute beibringen könnte, heute notwendig ist“, sagte Becker. „Wenn ich in die Psychologie des Spiels gehen würde oder in Matchsituationen, dann muss er noch mal 150 oder 200 Matches spielen, um auch zu verstehen, was ich dann sagen würde.“