Tennisturnier Tatjana Maria steht im Halbfinale von Wimbledon - Freuden-Tränen nach Tennis-Krimi

Das deutsche Viertelfinale auf dem Court hat die Baden Württembergerin für sich entscheiden können. Aber auch ihre Gegnerin konnte sich mit der 34-Jährigen freuen.

Mit schnellen Schritten zum Sieg.

Foto: dpa/Kirsty Wigglesworth

Als um 16.26 Uhr der letzte Ball dieses Viertelfinals im Netz landet, fallen die Tennisschläger von Tatjana Maria und Jule Niemeier zu Boden. Auf Court 1 des alt-ehrwürdigen All England Lawn Tennis and Croquet Club im Londoner Stadtteil Wimbledon – und auf dem Bildschirm im Sportclub Mengen. Mit diesem Punkt hat Maria das deutsche Viertelfinale des Grand Slam Turniers mit 4:6, 6:2, 7:5 gewonnen. Auf der Leinwand umarmen sich die Spielerinnen innig, und im Restaurant Matchpoint im fernen Germany liegen sich Marias Mutter Margit und ihre beiden Brüder Daniel und Matthias Malek in den Armen. „Es ist ein Traum, der wahr geworden ist“, sagt Daniel mit einem breiten Grinsen über seine große Schwester. „Sie hat es einfach verdient.“

In diesem Moment fällt eine Zentnerlast von Freunden und Familie ab. Mehr als 40 Menschen sind gekommen an diesem Dienstagnachmittag. Sie alle wollen sehen, ob ihre „Tadde“, wie Tatjana Maria genannt wird, das größte Spiel ihrer langen Karriere bestreitet. Und es gäbe kaum einen besseren Ort als diese Halle im Norden Mengens. Da, wo Tatjana Maria, als sie noch Malek hieß, als kleines Mädchen die ersten Schritte auf dem Tennisplatz gemacht hat. „Sie besucht uns immer, wenn sie hier ist“, sagt Leni Gallauer, die Wirtin, stolz. Erst vor wenigen Wochen habe Maria auf einem der drei Hartplätze trainiert, die vom Restaurant aus durch eine große Glasscheibe zu sehen sind.

Alle hier können ihre Geschichte erzählen von Begegnungen mit der Profi-Tennisspielerin. Ihr Mann, Jürgen Gallauer, Sportwart und Wirt beim SC Mengen, erinnert sich, dass er einst bei der Clubmeisterschaft gegen Maria verloren hat. Auf Nachfrage ergänzt Leni grinsend, dass die damals neun Jahre alt war und ihr Gatte stolze 36.

In Wimbledon liegt die gebürtige Bad Saulgauerin früh mit 0:2 zurück. Die Fans in Mengen durchleben ein Wechselbad der Gefühle. Tosender Applaus bei einem Ass, enttäuschtes Aufstöhnen beim Doppelfehler. Mutter Margit Malek sitzt ganz ruhig da, die Hände im Schoß gefaltet. Ein erleichtertes Klatschen, ein leises Aufstöhnen, mehr nicht. Sie zittert insgeheim mit. Allein, es hilft nichts. Mit 6:4 geht der erste Satz an die 22 Jahre alte Jule Niemeier.

Auch im zweiten Durchgang liegt Maria früh mit einem Break zurück und strapaziert die Nerven ihrer Fans, die gespannt sind wie Tennissaiten. Nach einer knappen Stunde hat sie dann endlich ihrer Gegnerin zum ersten Mal den Aufschlag abgenommen. Lauter Jubel bricht aus im Matchpoint, nur Mama Margit bleibt weiter cool. Jetzt lächelt sie. Immerhin. Sie weiß, dass ihre Tochter eine echte Kämpferin ist, dass jetzt der Augenblick gekommen ist, in dem das Momentum kippen kann. Das „Mentalitätsmonster“, wie der TV-Kommentator Maria nennt, nimmt auch diese Hürde. Wäre doch gelacht, bei all der Lebenserfahrung, die Tatjana Maria in ihren 34 Jahren sammeln durfte und oft auch musste. „Sie ist durch die Schicksalsschläge früh erwachsen geworden“, sagt ihre Mutter Margit.

Angekommen im Leben

Im März 2008 kämpft Tatjana nach einer Lungenembolie um ihr Leben, wenige Monate später stirbt ihr Vater Heinrich Malek, der sie zu den Turnieren begleitet hat. „Tatjana hat sich das wirklich erkämpft und verdient“, sagt Margit Malek, „sie ist angekommen in ihrem Leben, sehr glücklich und zufrieden.“ Tatjana weiß auch nach zwei Schwangerschafts-Comebacks als zweifache Mutter, dass Tennis nicht alles ist im Leben. Trotzdem ist der Sport in diesen Augenblicken das Wichtigste. In England und in Oberschwaben.

An der Wand im Sportclub Mengen hängt ein signiertes Foto der bekanntesten Spielerin, direkt daneben ein Bild von Wimbledon. Dort holt Maria jetzt den zweiten Satz mit 6:3. In Mengen wird laut durchgeschnauft. Das Match entwickelt sich zu einem harten Kampf im dritten Satz, es wird von Punkt zu Punkt spannender und steuert auf seinen Höhepunkt zu. Maria liegt mit 2:4 zurück, spielt weiter ruhig ihr Spiel. Ihre Gegnerin setzt auch jetzt auf Serve and Volley, macht aber immer mehr Fehler. Beim Stand von 5:5 krallt sich Margit Malek in ihren Pullover. Der erste Matchball. Daheim springen die Menschen auf. Dann Jule Niemeiers Ball ins Netz. Marias Sieg. Das Halbfinale.

„Stolzer geht’s nicht“, sagt Bruder Daniel Malek. Auf der Leinwand gibt seine Schwester gerade ihr Siegerinterview. Tatjana Maria lobt die „großartige Unterstützung und das wunderbare Publikum“ und meint natürlich die Zuschauer in Wimbledon, dabei wurden auch in Mengen alle Daumen gedrückt. „Es ist ein Traum, das mit meiner Familie zu erleben, mit meinen zwei kleinen Töchtern“, sagt die 34-Jährige und schlägt die Hände vors Gesicht, über das Freudentränen rinnen.

Feucht sind auch viele Augen in Mengen. „Das war ein unbeschreiblicher Nervenkitzel“, sagt Bruder Matthias Malek. „Ich hoffe, dass sie das Ding jetzt holt. Mit ihrem Können und Glauben ist alles möglich“, fährt der 30-Jährige fort. Er überlegt mit seiner Mutter spontan zum Halbfinale nach London zu fliegen, Bruder Daniel bleibt daheim in Deutschland. Im Kreißsaal.

Neue Glückszahl 8?

Der 32-Jährige und seine Frau Aylin erwarten just am 7. Juli ihr zweites Kind. Tatjana Marias Geburtstag ist der 8.8., bislang ist die Nummer 8 ihre Glückszahl. Wer weiß, vielleicht kommt am Donnerstag die 7 dazu – wenn sie am 7.7. nochmals Tante wird und ins Endspiel von Wimbledon einzieht.