Ein Superstar sagt Servus
Magdalena Neuner beendet ihre kurze und schillernde Karriere zum Ende der Saison. Weil Sport in einem jungen Leben nicht alles ist.
Düsseldorf. Eng ist es an den zwei runden Tischen. Fürchterlich eng. Doch das stört niemanden, denn alle amüsieren sich. Und staunen. Über diese junge Frau, die ohne Scheu erzählt. Über ihre Harfe. Die Liebe zum Stricken. Ihren Trainer und ihre Zimmerkameradin. Herzerfrischend, aber nicht naiv. Sie gewährt Einblicke, ohne zu palavern, ist offen. Sie lacht.
Magdalena Neuner sitzt im Erdgeschoss des Biathlon-Zentrums von Antholz, hat mit dieser unbeschwerten Leichtigkeit und doch professionell über sich gesprochen. Mit 19 Jahren. Was in diesem Augenblick noch keiner wusste: Es folgten Goldmedaillen im Sprint, in der Verfolgung und mit der Staffel. Magdalena Neuner wurde die erfolgreichste Athletin der Weltmeisterschaften 2004 in Südtirol. Eine Sportkarriere, die für die Masse viel Traumhaftes hat, wird öffentlich.
Am Dienstag hat die Biathletin aus Wallgau ihren Rücktritt zum Saisonende erklärt. Knapp acht Jahre später, mit 24 Jahren. Magdalena Neuner hört auf. Aus privaten Gründen. „Zum einen sehne ich mich nach Normalität, nach ein wenig mehr Ruhe und danach, einfach mal die Dinge machen zu können, die ich in meinem Sportlerleben nie machen konnte. Zum anderen bin ich sehr motiviert, neue Dinge auszuprobieren“, schreibt Neuner auf ihrer Homepage. Am Mittwoch wird sie in Hochfilzen Details preisgeben.
Magdalena Neuner wollte ihre Entscheidung schon früher bekanntgeben, das hat nicht geklappt. Daher ist sie in Interviews auf Nachfragen stets ausgewichen. Nun ist es gesagt. Für sie eine Erleichterung. Die Reaktionen sind eindeutig: „Lena ist nicht nur eine der erfolgreichsten Sportlerinnen, sondern auch eine der sympathischsten und beliebtesten Athletinnen Deutschlands“, sagt Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Ski-Verbandes. Generalsekretär Thomas Pfüller: „Es ist klar, dass wir die Lücke, die sie nach dieser Saison hinterlassen wird, nur sehr schwer schließen können.“
Athleten denken mitunter anders. Sie wissen, welch harte Arbeit hinter den Erfolgen steckt, welche Eintönigkeit, welcher Stress und welche psychischen Belastungsspitzen. Sich immer und immer wieder zu motivieren, das zehrt. Der Verzicht ist groß. Und manchmal schleicht sich die Frage nach dem Warum in den Kopf.
Magdalena Neuner hat alles gewonnen, sie ist Doppel-Olympiasiegerin, zehnmalige Weltmeisterin, zweimal hat sie den Gesamt-Weltcup errungen, ist Sportlerin des Jahres geworden und die erfolgreichste Biathletin aller Zeiten. Superlative. „Ich habe mich nie groß mit anderen verglichen, dass ich sage, ich muss besser sein als die oder die Beste aller Zeiten. Vorbilder hatte ich schon, aber das hat nichts damit zu tun.“
Diese Frau hatte Ziele. Die hat sie übertroffen. Magdalena Neuner: „Ich bin kein Ole Einar Björndalen. Und wer mich kennt, kann das auch bestätigen. Mir geht es nie darum, noch mehr, noch mehr. Ich bin auch nicht materialistisch eingestellt.“ Neuner möchte Spaß an dem haben, was sie tut.
Im März 2012, nach dem Weltcupfinale in Sibirien, wird Schluss sein. Weil für Magdalena Neuner die Zeit reif ist. „Sie wird fehlen“, sagt die Weltcupgesamtsiegerin Kaisa Mäkäräinen, „aber ich kann sie verstehen.“ Norwegens Aufsteiger Tarjei Boe: „Das ist schade und ungewöhnlich, aber ich respektiere Athleten, die nicht ihr ganzes Leben dem Erfolg hinterher rennen.“
“ Weitere Informationen und Bilder zum Neuner-Rücktritt unter
wz-newsline.de solinger-tageblatt.de rga-online.de