Sachenbacher-Stehle wagt Neuanfang als Biathletin

Idre (dpa) - Den penetranten Gestank von vergammeltem Fisch überwand Evi Sachenbacher-Stehle mit ihrem typisch strahlenden Lächeln. Mund auf, Fisch rein, mit einem Glas Schnaps nachgespült - und, ganz wichtig, alles blieb im Magen.

Die „Strömlings-Taufe“, ein Ritual der Skijäger, bestand die Bayerin bereits im vergangenen Winter beim Biathlon-Schnupperkurs mit Bravour. „Gott sei Dank habe ich das schon hinter mir, das war echt eklig“, sagte die Bayerin. Ein Jahr nach ihrer unappetitlichen Mutprobe steht sie nun vor ihrem Wettkampf-Debüt als Biathletin.

Die „Gold-Evi“, wie Sachenbacher-Stehle nach ihren zwei Langlauf-Olympiasiegen von den Medien getauft wurde, will nicht nur sich beweisen, dass ihr Wechsel in ein anderes Metier trotz des fortgeschrittenen Sportler-Alters von 31 Jahren eine Erfolgsstory werden kann. Angst vor einem Scheitern kennt sie nicht. „Ich sehe das nicht als Risiko. Das ist eine neue Herausforderung, und ich kann für mich nur gewinnen“, sagte sie mit Blick auf ihre internationale Renn-Premiere im Biathlon-Zirkus.

Wie beim Verspeisen der faulig riechenden schwedischen Fischdelikatesse wird Sachenbacher-Stehle am Samstag beim IBU-Cup im schwedischen Idre mit einem Lächeln an den Start gehen. Auch wenn sie schon eine gewisse Erwartungshaltung verspürt, zumal das mediale Interesse groß ist. „Ein bisserl Druck merke ich schon, wenn jeder auf mein erstes Rennen schaut. Mit solchen Situationen muss ich umzugehen lernen“, erzählte die Bayerin.

Bundestrainer Uwe Müssiggang glaubt an den prominenten Neuling. „Wir sind mit ihrer Entwicklung sehr zufrieden, auch wenn uns klar ist, dass wir beim Schießen immer wieder mit schwankenden Leistungen rechnen müssen“, sagte der 60-Jährige, der zudem gespannt auf den Weltcup-Auftakt am Sonntag in Östersund mit der Mixed-Staffel schaut. Sachenbacher-Stehle soll zunächst die ersten beiden IBU-Cups laufen. Bei Erfüllung der Qualifikationskriterien ist dann der erste Weltcup-Start Mitte Dezember in Pokljuka geplant, so Müssiggang.

Sachenbacher-Stehle will ihre Premiere locker angehen: „Es wäre ja ein Wahnsinn für die anderen, wenn ich komme und gleich in der Weltspitze mitmische.“ Ein bisschen Bammel hat sie trotzdem - vor dem Schießen. „Ich hatte vorher nur auf der Kirmes geschossen, sonst gar nicht. Und auf der Kirmes ist das schon etwas anderes“, betonte sie. „Ich muss immer noch schauen, dass ich meine Atmung richtig unter Kontrolle habe. Dass ich gleich das erste Schießbild nehme und nicht ewig lange warte“, beschrieb sie ihre Sorgen. Verrückt mache sie sich aber nicht, zumal es im Schießtraining mittlerweile „mehr gute als schlechte Tage“ gebe.

Doch nicht nur am Schießstand wartete eine neue Herausforderung auf Sachenbacher-Stehle. Auch in der Loipe musste sie sich umstellen. „In meinem ersten Testwettkampf bin ich losgelaufen wie eine Langläuferin, also volle Pulle. Nach dem ersten Liegendschießen wollte ich weiterlaufen, aber dann ist mir so das Laktat in die Beine geschossen, dass ich dachte: Ach du meine Güte, was ist denn jetzt los“, berichtete sie schmunzelnd.

Mittlerweile hat sie das richtige Timing gefunden, und auch die Angst vor möglichen Stürzen auf den Abfahrten ist gewichen. „Ich habe ja einen Mann, der Alpiner war. Wir haben einige Trainingseinheiten absolviert. Ich denke, das kann ich mittlerweile ganz gut“, erzählte sie stolz.

Ihre Planungen für die zweite Karriere hat sie mittelfristig angelegt. Die WM im kommenden Jahr „könnte noch zu früh kommen, aber im Weltcup möchte ich in dieser Saison schon mitmachen und schauen, wie das da abläuft“. Bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi will sie dann auf jeden Fall dabei sein. Die im Frühjahr zurückgetretene Biathlon-Königin Magdalena Neuner hält dies für realistisch: „Ich finde es unheimlich mutig von ihr, noch einmal diesen neuen Schritt zu gehen. Ich traue ihr einiges zu.“