Nach Sotschi-Debakel: Fortschritte ja, Grundproblem bleibt

Sotschi (dpa) - Ein Jahr nach der Schmach von Sotschi kehren die deutschen Bobfahrer an den Ort der größten Olympia-Pleite seit 50 Jahren zurück. Nach einem hitzigen Sommer, in dem sich sogar der Sportausschuss des Bundestags mit dem Thema beschäftigte, stehen die Zeichen wieder auf Erfolg.

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„Wir haben enorm viele Analysen betrieben und auf vielen Ebenen neue Arbeitsgruppen gebildet. Die Entwicklungstendenz sieht man ja schon an den Ergebnissen im Weltcup. Jetzt müssen wir die Detailarbeit noch ausbauen“, sagte Generalsekretär und Sportdirektor Thomas Schwab vom Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD).

Acht Weltcupsiege und 15 weitere Podestplätze verbuchten die Kufencracks vor dem Weltcupfinale an diesem Wochenende in Sotschi, bei dem die WM-Mitfavoriten Francesco Friedrich und Anja Schneiderheinze fehlen werden. Die Ergebnisse dieses Winters lassen auf den ersten Blick Fortschritte erkennen. Immerhin rutschen die modifizierten Schlitten des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) - in Sotschi vom viermaligen Olympiasieger Kevin Kuske noch als Trabi im Eiskanal verspottet - derzeit auf Weltklasse-Niveau den Eiskanal hinunter.

Die neu gegründete AG Technik, mit fünf BSD- und drei FES-Leuten besetzt, scheint zu funktionieren. Denn statt Cheftrainer Christoph Langen persönlich tüftelt und analysiert das FES jetzt mit dem ehemaligen Weltklassepiloten Matthias Höpfner. Der WM-Dritte von 2008 im Viererbob ist nun für den Europacup und die Technik zuständig. Er dient zwischen den weiterhin zerstrittenen Parteien quasi als Prellbock. „Man kann in so kurzer Zeit nicht alles umkrempeln, es gibt aber mindestens zehn Punkte, die wir schon verbessert haben. Ich bin jeden Tag dafür da, das Material besser zu machen. Dieser Prozess braucht aber Zeit“, meinte Höpfner.

Für ihn ist primär wichtig, dass „die Arbeit mit den Piloten funktioniert. Da probieren wir im Weltcup plötzlich Sachen aus, die wir dann bei gleichen Bedingungen künftig ausschließen können. Diese Fehler machen wir dann bei der WM eben nicht.“ Auch FES-Direktor Harald Schaale lobt die Arbeit des Erfurters: „Er macht eine sehr zeitnahe Protokollierung. Man kann sich auch mal streiten, ohne gleich beleidigt zu sein. Und die Erprobung der neuen Sachen erfolgt gleich im Europacup. Es ist eine gute und kreative Zusammenarbeit.“

Die Berliner Tüftler gehen derzeit sehr strukturiert vor. „Wir treffen uns alle vier bis sechs Wochen in der AG Technik und überprüfen ständig den Soll- und Ist-Vergleich. Dann werden die folgenden Schritte besprochen“, sagte Schaale, der die Heim-WM in Winterberg als erstes Teilziel sieht.

Doch wie lange hält der Burgfrieden? Im Hintergrund werden weiter hitzige Diskussionen geführt. „Wichtig ist, dass man nach einem schwachen Rennen nicht alles komplett infrage stellt und den Kopf verliert“, betonte Schwab, der beim BSD als erster Wintersportverband einen Ethic-Code eingeführt hat. Selbst Bob-Olympiasieger Carsten Embach, nach dem Rücktritt von Raimund Bethge 2010 kurz BSD-Cheftrainer und nun verantwortlich für die Kufen-Disziplinen im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), hat erkannt: „Das ist keine funktionierende Partnerschaft.“

Für Bundestrainer René Spies ist vieles zu theoretisch. „Wir analysieren derzeit auf dem Papier alles: Mehr Struktur geht einfach nicht mehr. Aber den Quantensprung schlechthin haben wir noch nicht gemacht, vielleicht erst 2018“, meinte der Winterberger, der auch andere Entwicklungen für den derzeitigen Erfolg verantwortlich macht. „Im Nachwuchsbereich und am Start passiert richtig viel.“ So sieht es auch Chef Langen: „Ich habe meine Hausaufgaben am Start gemacht.“