Nach Pechstein-Aufruf: Sportler-Kritik an Vereinbarung
Berlin (dpa) - Im Streit um ihre Sperre bemüht sich Claudia Pechstein erneut um die Unterstützung anderer Sportler. Fast 50 deutsche Spitzenathleten haben einen Aufruf unterschrieben, in dem sie die grundsätzliche Kritik der Eisschnelllauf-Olympiasiegerin an der Athletenvereinbarung teilen.
Das berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf Pechsteins Management. Pechstein habe den Kontakt zu anderen Athleten gesucht und dabei den Aufruf verteilt oder per Mail versandt, sagte ihr Manager Ralf Grengel am Dienstag.
Die Athleten bekunden demnach, die Schadenersatzklage der 41-Jährigen habe ihnen deutlich gemacht, dass sie mit ihrer Unterschrift unter die Athletenvereinbarung auf das Grundrecht verzichteten, „selbst in existenziellen Fragen ein deutsches Gericht anrufen zu können“. Laut Grengel befänden sich unter den 50 Unterzeichnern „amtierende Weltmeister und Olympiasieger“. Die komplette Liste mit den Namen solle „in den nächsten Tagen veröffentlicht werden“.
Pechstein klagt vor dem Landgericht München gegen den Eislauf-Weltverband (ISU) und die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) auf 3,5 Millionen Euro Schadenersatz und ein „angemessenes Schmerzensgeld“. Auch der Internationale Sportgerichtshof (CAS) hatte die 2009 verhängte zweijährige Sperre wegen erhöhter Retikulozytenwerte bestätigt. Die nie positiv auf Doping getestete Pechstein beruft sich auf eine ererbte Blutanomalie, die ihr von renommierten Gutachtern bescheinigt wurde. Die ISU hatte die Diagnosen am Montag bestritten.
Mit der Unterschrift unter den Aufruf erklären die Athleten, sie empfänden es als „absurd“, eine Entschädigung bei demselben ausländischen Schiedsgericht einklagen zu müssen, das schon über die Dopingsperre entschieden habe.
Laut FAZ hat der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) den Aufruf unter den Fachverbänden verbreitet. Vizepräsidentin Christa Thiel und Athletensprecher Christian Breuer - einst gemeinsam mit Pechstein im Nationalteam - hätten darauf hingewiesen, dass die Anerkennung von Schiedsklauseln zwingende Voraussetzung für die Teilnahme an internationalen Wettbewerben und Olympischen Spielen sei. Rechtsstaatliche Grundsätze würden in Schiedsverfahren genauso berücksichtigt wie vor ordentlichen Gerichten.
Der DOSB erklärte am Dienstag, die Kernthesen des Aufrufes seien unzutreffend. So erfolge durch die Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit keineswegs ein Grundrechtsverzicht. Echte Schiedsgerichte seien per se unabhängig, sonst würden sie von staatlichen Gerichten nicht akzeptiert.
„Im Ergebnis ist es mitnichten so, dass mit der Unterschrift unter eine Schiedsvereinbarung schwerwiegende Folgen im Sinne einer Schlechterstellung der Athleten verknüpft sind. Beide Rechtswege stehen absolut gleichrangig nebeneinander“, betonte der DOSB. Im legitimen Ringen um Schadenersatz sollten nicht leichtfertig Kernaspekte des sportrechtlichen Fundaments infrage gestellt werden.
Pechstein hatte Anfang September schon Unterstützung in eigener Sache aus dem Eisschnelllauf-Lager erhalten. Mehr als 100 Sportler, Trainer und Funktionäre unterzeichneten auf Initiative der Berlinerin einen Appell an den Eislauf-Weltverband ISU, in dem eine öffentliche Rehabilitierung durch den Verband gefordert wird.