Pechstein testet neues Material - Ziel: Olympia-Ticket
Calgary (dpa) - Auch mit fast 42 Jahren ist Claudia Pechstein noch immer aufgeregt vor dem ersten Weltcupstart der Saison. Nach einem Sommer ohne Verletzungsprobleme und drei Titeln bei den nationalen Meisterschaften brennt die fünfmalige Olympiasiegerin auf den ersten Vergleich mit der Weltelite.
Auf dem „Sahneeis“ von Calgary will sie am Wochenende mit neuem Material über 1500 und 3000 Meter die Norm des Deutschen Olympischen Sportbundes für das Olympia-Ticket knacken. „Ich will unbedingt zum sechsten Mal bei Olympia dabei sein. Am besten wäre es natürlich, wenn mir die Qualifikation gleich im ersten Rennen gelingen würde“, meinte Pechstein zuversichtlich.
Für den Start in Sotschi ist zumindest ein achter Platz im Weltcup nötig, um für das deutsche Olympia-Team Berücksichtigung zu finden. „Der Traum von meiner zehnten Olympia-Medaille hat mich in den vergangenen Jahren und Monaten immer wieder aufs Neue motiviert. Ich weiß, dass viele darüber nur müde lächeln konnten, als ich während meiner Sperre davon gesprochen habe, mir die gestohlenen Spiele von Vancouver zurückzuholen. Von daher wäre es ein große Genugtuung, wenn mir die Qualifikation gelänge“, meinte Pechstein.
Nach ihren bisherigen Saisonleistungen zweifelt kaum jemand daran. Ganz im Gegenteil: Als mit Abstand älteste Läuferin der Weltspitze gilt Pechstein als größte Medaillenhoffnung des deutschen Verbandes. Dennoch bewahrt sie ihren Realismus, nicht zuletzt auch angesichts der Überlegenheit von Weltmeisterin Ireen Wüst aus den Niederlanden: „Über 3000 Meter ist die Konkurrenz enorm stark. Deshalb habe ich nicht nur versucht, mich optimal zu konditionieren, sondern habe auch Wert auf die Optimierung meines Kufenmaterials gelegt“, verriet Pechstein.
Ihr Sponsor aus Neustadt in Holstein (F&F Lasertechnik) arbeitet seit zwei Jahren daran, die Gleitfähigkeit der Kufen zu verbessern. Seit 2011 absolvierte sie bereits zahlreiche Testversuche, ehe das neue Schleifverfahren so ausgereift war, dass sie bei den Meisterschaften vor zwei Wochen in Inzell mit den optimierten Stahlkufen auf das Eis gehen konnte. Grundlage für die neue Technik sind Studien aus den USA. „Um das Verfahren umsetzen zu können, haben wir eine Maschine entwickelt und gebaut, mit der wir den Schliff und die Laserpolitur jederzeit wieder exakt reproduzieren können“, erklärte F&F-Geschäftsführer Andreas Babbe.
In den zurückliegenden Wochen sorgte Pechstein wieder mehr abseits des Eises für Schlagzeilen, als sie den Weltverband ISU in Zusammenhang mit ihrer Schadensersatzklage heftig attackiert und mit ihrer Unterschriftenpetition unter deutschen Topsportlern gegen die Schiedsvereinbarung den DOSB erzürnt hatte. Auf dem Eis scheint sie das juristische Gerangel aber wenig zu stören.
„Natürlich wäre es besser, ich wäre bereits offiziell von der ISU rehabilitiert und hätte den Schadensersatzprozess schon gewonnen. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Ich muss mir alles hart erarbeiten. Auf dem Eis und auch vor Gericht“, meinte die Berlinerin vor ihrem ersten Weltcupstart am Freitag. „Aber diese Doppelbelastung begleitet mich nun schon seit Jahren. Ich habe ein tolles Team um mich herum, das mir den Rücken freihält. Von daher werde ich hoffentlich auch die Olympia-Saison gut meistern können.“
Im Gegensatz zu Pechstein ist Rivalin Stephanie Beckert noch nicht auf dem gewünschten Leistungsstand und hofft in Calgary auf einen Sprung nach vorn. Das erste Teamrennen der Saison am Sonntag wird die Olympiasiegerin aus Erfurt daher nicht bestreiten - Pechstein wird von den beiden Berlinerinnen Bente Kraus und Monique Angermüller begleitet.