Bundestrainer Berthold: „Größer und stärker werden“

Sölden (dpa) - Mathias Berthold kann Olympiasieger formen. Als Cheftrainer der deutschen Ski-Damen holte er 2010 mit Maria Höfl-Riesch und Viktoria Rebensburg dreimal Gold, mit den Herren Österreichs in diesem Jahr zweimal.

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Nun hat der 49-Jährige die Verantwortung für die deutschen Männer um Felix Neureuther übernommen. Seine Mission startet mit dem Weltcup-Auftakt in Sölden am Wochenende. „Wir wollen uns in allen Bereichen verbessern, größer und stärker werden“, sagt Berthold im Interview der Nachrichtenagentur dpa.

Sie waren Chefcoach der Herren beim Österreichischen Skiverband (ÖSV) - mehr geht eigentlich nicht als Trainer im alpinen Skisport. Ist das jetzt beim Deutschen Skiverband (DSV) Aufbauarbeit?

Mathias Berthold: Ja, in manchen Teilen der Mannschaft, bei den Speed-Disziplinen, ist sicher Aufbauarbeit gefordert. In anderen, dass wir uns von der Qualität verbessern und in der Breite vergrößern. Wir haben gute Leute, aber das ist eine zarte Pflanze. In Österreich hast du einen Baum, den kannst du nicht umhauen: Da sind so viele Junge, die nachkommen. Bei uns wackelt bei Verletzungen das Ganze. Jeder bringt hier vollen Einsatz, dass wir das voranbringen.

Wo liegen die Unterschiede zwischen den beiden Verbänden?

Berthold: Beim ÖSV sind genauso Baustellen wie in Deutschland auch.

Und bezogen auf die Erfolge?

Berthold: Die werden sich hoffentlich noch mehr einstellen bei uns. Aber schon letzte Saison hat Felix Neureuther vier Weltcup-Rennen gewonnen. Das ist doch voll cool! Von daher haben wir schon ein gutes Niveau.

Wären statt des DSV auch andere Verbände für Sie infrage gekommen?

Berthold: Nein, wenn der DSV nicht angefragt hätte, hätte ich was gemacht, was mit dem Skisport nichts zu tun hat. Ich war dann aber sehr glücklich, als die Anfrage kam. Unabhängig davon hatte ich schon vorher entschieden, beim Österreichischen Skiverband aufzuhören.

Unter Ihrer Regie haben die ÖSV-Herren in vier Jahren im Weltcup fast 140 Podestplätze eingefahren, sind Weltmeister geworden, dazu gab's zweimal Olympia-Gold. Wie definieren Sie jetzt noch Erfolg?

Berthold: Wir wollen uns in allen Bereichen verbessern, größer und stärker werden. Felix Neureuther, Fritz Dopfer und Stefan Luitz sollen konstant aufs Podium fahren können. Und die jungen Athleten wollen wir mithilfe dieser drei Stars heranbringen an die Spitze. Sie sollen sehen, dass sie absolute Weltklasseläufer im Team haben. Das ist eine ideale Situation. Ich fordere schon, dass sich das Ganze stetig entwickelt im technischen Bereich. In vier Jahren sollten wir auch in Abfahrt und Super-G in der Lage sein, ganz vorne mitzufahren. Dafür brauchen wir auch ein bisschen Glück. Die Weltmeisterschaften in den USA im Februar 2015 werden für den Speed-Bereich noch zu früh kommen.

Trainingsmethodik, psychologische Arbeit - wo haben Sie angesetzt?

Berthold: Man muss der Mannschaft das Gefühl vermitteln, dass man an sie glaubt. Das haben wir gemacht. Zudem haben wir Skitechnik trainiert in einem Ausmaß, wie die Athleten das bisher nicht gewohnt waren. Es ist gut, wenn durch neue Leute neue Motivation hereinkommt.

Ist die Aufbauarbeit an sich schon Reiz genug für Sie?

Berthold: Ja, ich mache das sehr gerne. Damals bei den Damen, da war die Maria verletzt, und wir haben aus dem Nichts heraus eine richtig erfolgreiche Mannschaft geschaffen. Wir waren knapp dran, die Nationenwertung zu gewinnen gegen die Österreicher. So etwas können wir natürlich bei den Herren jetzt nicht verwirklichen, aber wir glauben an uns und den Erfolg.

Im Dezember ist der letzte Abfahrtssieg eines DSV-Herren zehn Jahre her. Wie groß ist die Gefahr, dass diese Marke auch ein elftes Jahr Bestand hat?

Berthold: Die ist groß. Klar, der Tobi Stechert hat schon gute Ergebnisse eingefahren. Und wenn einer einen super Tag hat und Glück mit den Verhältnissen, dann ist sowas möglich. Aber ich möchte da keine großen Hoffnungen wecken, dass wir heuer Abfahrten gewinnen werden. Unser Ziel ist, konstant zwei, drei Leute in die Top 30 zu bringen.

Wie sehr wird es Felix Neureuther helfen, dass ihn mit Ihnen jetzt der Mann unterstützt, der die Oberaufsicht über seinen Dauerrivalen Marcel Hirscher hatte in den vergangenen Jahren?

Berthold: Ich würde das nicht überbewerten. Ich kenne den Marcel natürlich sehr gut. Aber der Felix fährt nicht gegen den Marcel. Im Skifahren fährst du für dich selber, du musst aus dir das Optimale herausholen. Wenn das gelingt, dann ist es ein Nebenprodukt, jemand anderen zu schlagen. Aber klar: Es ist ein spannender Kampf, das war sehr packend letzte Saison. Das ist auch gut für den Sport in Deutschland und es wäre schön, wenn es in der Art und Weise weitergehen würde. Ich hoffe aber, dass der Fritz (Dopfer) und der Stefan (Luitz) auch ein Wörtchen mitreden.

Was können die beiden am Sonntag erreichen?

Berthold: Ich glaube nicht, dass die Konkurrenz wahnsinnig viel stärker ist als wir. Klar, die Ausnahmekönner wie Hirscher, (Ted) Ligety, (Alexis) Pinturault - das sind Jungs, die es zu schlagen gilt. Aber wir sind, denke ich, gut vorbereitet. Fritz und Stefan sind sicher in der Lage, vorne mitzumischen.

Wie groß ist Felix Neureuthers Schmerz nach der Absage noch?

Berthold: Er war da zum Slalom-Training, es ging ihm richtig gut. Das ist sehr positiv. Aber dieses Rennen hier käme zu früh. Er ist einfach nicht vorbereitet und nicht in der Form für einen Riesenslalom. Klar, er wäre sehr gerne gefahren. Ich hätte es auch gerne gehabt, dass der Felix dabei ist. Aber in solchen Situationen muss man einfach vernünftig sein und ein bisschen weiter denken. Die Saison fängt erst richtig an im Dezember. Und das Großereignis ist im Februar.

ZUR PERSON: Mathias Berthold (49) ist Österreicher und seit dieser Saison Herren-Cheftrainer beim Deutschen Skiverband. Zuvor hatte er diesen Posten beim ÖSV inne. In seiner ersten Amtszeit als Cheftrainer der DSV-Damen führte er Maria Höfl-Riesch und Viktoria Rebensburg bei Olympia in Vancouver zu insgesamt drei Goldmedaillen.