Pfeifende Österreicher lassen Konkurrenz heulen
Gröden (dpa) - Bei Olympia kassierten die österreichischen Ski-Herren noch Prügel für ein historisches Debakel, nach ihrer furiosen Rückkehr an die Weltspitze rätselt die Konkurrenz.
Drei Siege und insgesamt sieben Podestplätze sammelten die rot-weiß-roten Rennfahrer vor diesem Weltcup-Wochenende in Gröden und Alta Badia - was auch den Argwohn anderer Nationen hervorrief. Während der Übersee-Rennen meldeten mehrere ausländische Trainer, dass die Athleten bei ihrer Schussfahrt verdächtige Pfeifgeräusche verursachen würden.
Der neue Herrenchef Mathias Berthold berichtete amüsiert, sein Team werde „auf einmal wegen Lärmbelästigung am Hang belangt“. Verbotene Unterwäsche, die einem Speedski-Anzug ähneln soll, sei im Einsatz, munkelten die Abgehängten. „Es heißt, sie hätten ein Oberteil, das wie ein abgeschnittener Rennanzug aussieht“, berichtete der norwegische Teamchef Havard Tjörholm. Der Internationale Skiverband nahm die Ausrüstung unter die Lupe - ohne Beanstandung.
Die Gründe für den Aufschwung von Austrias Alpinen, die in Vancouver erstmals ohne Olympia-Medaille geblieben waren und keine Abfahrt in der vergangenen Saison gewannen, sind vielschichtiger als vermeintlich schnittige Textilien. „Die Vorbereitung ist perfekt verlaufen, das Klima innerhalb des Abfahrtsteams ist super. Jeder pusht sich und die anderen“, erzählte Speedspezialist Mario Scheiber vor dem Super-G auf der Saslong, wo er im Training eine leichte Kapselzerrung erlitt.
Obwohl der 27-Jährige beim Abfahrts-Auftakt auf Rang zwei in Lake Louise seinen Premieren-Sieg im Weltcup nur knapp verpasste, wertete auch er den dortigen Erfolg seines Teamkollegen Michael Walchhofer als „Befreiung für alle“. Auf den ersten Top-Podiumsplatz in der Königsdisziplin nach fast 21 Monaten folgten Siege von Georg Streitberger im Super-G von Beaver Creek und Marcel Hirscher im Slalom am vergangenen Wochenende in Val d'Isère. Das tat dem bei Olympia ohne Medaille mit Kritik, Hohn und Spott aus der Heimat bedachten Team gut.
„Der Umschwung im Trainerteam hat frischen Wind gebracht“, berichtete Scheiber. Der Österreichische Skiverband (ÖSV) stockte nicht nur den Etat um eine siebenstellige Summe auf, sondern lotste in Mathias Berthold auch den Erfolgscoach der deutschen Damen auf den Chefposten bei den Herren. „Skifahren ist nicht Fußball“, wehrte der frühere Trainer des Teams um Maria Riesch alle Lobeshymnen ab. „Wobei ein Trainereffekt an sich ja gut ist. Es ist ganz einfach so, dass sich in gewissen Zeiträumen bestimmte Positionen erneuern müssen.“
Berthold merkte bei seinem Amtsantritt im „Münchner Merkur“ „gewissen Aufholbedarf“ im ÖSV an, suchte den Weg weg vom Allrounder, hin zum Spezialisten und rief „eine richtige Speedgruppe“ ins Leben. Maßnahmen, die sich auf dem Weg zum Ziel - „Wir müssen oder wollen die Besten der Welt sein“ - auch in Gröden erneut bei der Abfahrt beweisen sollen. Wenn es nach Disziplintrainer Andreas Evers geht, könnte die Konkurrenz dann wieder ungewohnte Geräusche von den ÖSV-Piloten hören: „Vielleicht pfeifen unsere Fahrer ja, weil sie beim Skifahren so eine Freude haben.“