Chaos-Springen an Neujahr - Schmitt wieder da
Garmisch-Partenkirchen (dpa) - Martin Schmitt meldete sich beim chaotischen Neujahrsspringen mit dem besten Ergebnis seit knapp zwei Jahren in der Weltspitze zurück. „Überflieger“ Simon Ammann darf nach seinem Paukenschlag weiter vom ersten Triumph bei der Vierschanzentournee träumen.
Österreichs vom Winde verwehte Ski-Adler rangen nach der schweren Schlappe in Garmisch-Partenkirchen mühsam um ihre Fassung. Während Schmitt mit Platz sieben eine unverhoffte Wiederauferstehung feierte, verspielte Andreas Kofler in dem nach einem Durchgang abgebrochenen Wettbewerb alle Chancen auf die Titelverteidigung und Spitzenreiter Thomas Morgenstern seinen komfortablen Vorsprung. Für den 24-Jährigen platzte zudem der Traum vom Grand-Slam mit vier Siegen, den Sven Hannawald als bisher einziger Skispringer vor neun Jahren geschafft hatte.
„Die Platzierung tut gut, aber noch wichtiger war der Sprung. Das gibt mir wieder Selbstvertrauen, dass ich es noch kann. Ich bin jetzt eine Klasse besser und springe stabiler“, sagte Schmitt nach seinem tollen Flug auf 134,5 Meter. Besser hatte der 32-Jährige letztmals am 13. März 2009 mit Platz fünf in Lillehammer abgeschnitten. In der Gesamtwertung schob sich Schmitt mit 358,5 Punkten auf Rang elf vor und kündigte an: „Ich möchte Schritt für Schritt näher an die Spitze herankommen.“
Obwohl die deutschen Skispringer nicht ganz an das Ergebnis vom Auftaktspringen in Oberstdorf anknüpfen konnten, zog Bundestrainer Werner Schuster eine positive Halbzeit-Bilanz. Zumal mit Michael Neumayer (6.) und Severin Freund (9.) vor den abschließenden Wettbewerben in Innsbruck und Bischofshofen immerhin zwei DSV-Springer unter den Top Ten in der Gesamtwertung rangieren.
„Wie wir uns bisher präsentiert haben, war erfrischend. Für die ersten zwei Stationen können wir zufrieden sein. Es reicht noch nicht für die absoluten Spitzenleistungen, aber immerhin für gute. Wenn wir einen ganz nach vorne bekommen würden, wäre es einzigartig. Im Moment müssen wir uns noch mit der Breite trösten“, erklärte Schuster.
In der von langen Unterbrechungen und einem Sturz des Finnen Ville Larinto überschatteten Konkurrenz setzte sich Ammann mit einem Sprung auf 131 Meter vor dem Russen Pavel Karelin und Adam Malysz aus Polen durch. In der Tournee-Gesamtwertung verkürzte der viermalige Olympiasieger aus der Schweiz seinen Rückstand zu Morgenstern, der mit 124 Metern nur 14. wurde, auf 13,5 Punkte. „Ich bin hoch erfreut. Solch einen Tag habe ich gebraucht. Für einen, der 30 Punkte Rückstand hatte, ist das natürlich das schönste Geschenk zum Jahresbeginn“, sagte Ammann.
„Ich bin froh, dass ich heil unten angekommen bin“, stöhnte dagegen Morgenstern. Noch frustrierter war Kofler. Als der Titelverteidiger in der Luft von einer Böe erfasst wurde und nur dank seiner Klasse einen schweren Sturz vermied, stockte den 22 000 Fans an der Olympia-Schanze der Atem. „Da leidet man nicht nur, sondern das ist dann schon sehr belastend, weil man eine riesen Verantwortung hat. Man muss froh sein, dass nichts passiert ist“, sagte Österreichs Cheftrainer Alexander Pointner.
Seinen 40. Geburtstag hatte er sich ganz anders vorgestellt. Es herrschte Frust statt Partystimmung, und so klagte Pointner die Jury an, die den Wettkampf erst nach einem rund zwei Stunden währenden Nervenkrieg wegen der einbrechenden Dunkelheit abbrach. Zuvor war auch der mitfavorisierte Finne Matti Hautamäki, der als Gesamtdritter nun 26,5 Zähler hinter Morgenstern liegt, vom Winde verweht worden. „Man kann sich die Frage stellen, ob es wirklich notwendig ist, so viele Spitzenathleten vorzuführen. Hinsichtlich der Fairness wurde der Bogen heute überspannt. Es gab einige Möglichkeiten, den Wettkampf abzubrechen, und jeder hätte es verstanden“, schimpfte Pointner.
Schmitt sprach von „grenzwertigen Verhältnissen“ und räumte ein: „Ich war schon froh, dass ich nicht noch einmal hoch musste.“ Ammann blieb dagegen cool und eröffnete mit einem Seitenhieb den Psychokrieg mit den Österreichern: „Bei solchen Bedingungen muss man seinen Siegeswillen und das Risiko, das man eingehen will, ein bisschen runterfahren. Es hat in den vergangenen Jahren selten ein Springen gegeben, das nicht gewertet wurde. Nur einmal in Innsbruck. Alle Springer wissen daher schon vorher, dass wahrscheinlich durchgezogen wird, um ein Ergebnis zu haben. Das ist zu akzeptieren.“