Analyse: „Es darf nichts unter den Teppich gekehrt werden“

Düsseldorf (dpa) - Pferdefleisch ist beileibe nicht jedermanns Geschmack. In Deutschland werden statistisch gesehen 50 Gramm pro Person und Jahr verzehrt, rechnet die Verbraucherzentrale Hamburg vor.

Die pro Jahr angebotenen 4000 Tonnen Pferdefleisch machten weniger als 0,05 Prozent der Fleischmenge aus, die bundesweit verzehrt wird. Verbraucher können sich beim Metzger und beim Kauf von Lebensmitteln entscheiden, welches Fleisch sie essen wollen. Doch ein Skandal im Ausland alarmiert Verbraucherschützer.

Schon in mindestens vier europäischen Ländern wurde nach ihren Recherchen Pferdefleisch in Fertigprodukten gefunden, obwohl Rindfleisch darin sein sollte. In manchen Ländern billigeres Pferdefleisch habe Rindfleisch zu 30 bis 100 Prozent ersetzt. Einen solchen Etikettenschwindel dürfe es nicht geben, mahnen Verbraucherschützer und Politiker.

Eine Gefährdung wie bei Krankheitserregern, kleinen Metallteilen oder Scherben in Lebensmitteln wird dabei zwar nicht gesehen. Eine Belastung mit Medikamenten könnte aber bei Pferdefleisch nach Ansicht der Verbraucherschützer durchaus möglich sein. Das zeige eine aktuelle Warnmeldung des EU-Schnellwarnsystems zum Pferdefleisch.

„Was auffällt, ist, dass jeder die Schuld dem anderen gibt“, sagt Lebensmittelexperte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Auch in Deutschland sollten Rindfleisch-Produkte jetzt verstärkt auf billigeres Pferdefleisch getestet werden. Der aktuelle Fall zeigt auch, wie verworren und undurchsichtig die Lieferwege von Fleisch und anderen Lebensmitteln seien.

„In der EU sind die Grenzen offen, und dort fand der überwiegende Teil des Warenverkehrs im Zusammenhang mit dem Pferdefleisch-Skandal auch statt“, verdeutlicht Boris Planer vom Handelsinformationsdienst Planet Retail internationale Verflechtungen. Bei den einzelnen Stufen der Herstellung eines Produktes - von der Erzeugung der Rohstoffe über die Verarbeitung der Zutaten bis zum Verkauf der Ware - könnten Unternehmen in einer Reihe von Ländern beteiligt sein.

Der Skandal verdeutlicht einmal mehr, wie viele Länder betroffen sein können. Am Mittwochabend wollten sich Vertreter aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Rumänien und Polen in Brüssel austauschen. Der Skandal hatte vor rund einem Monat in Großbritannien und Irland begonnen, wo Spuren von Pferdefleisch in Hamburgern in Supermärkten gefunden wurden. Im Ausland wurde auch in Lasagne Pferdefleisch gefunden.

„Es ist nicht nur ein Etikettierungsskandal, sondern potenziell auch ein Gesundheitsskandal - denn es ist unklar, ob die verarbeiteten Pferde überhaupt für den Verzehr gezüchtet wurden und ob sich im Fleisch nicht Medikamentenspuren befinden“, meint Planer. Dass in Deutschland die Supermarktketten Kaiser's Tengelmann und Real vorsorglich den Verkauf der Lasagne ihrer Eigenmarken A&P beziehungsweise TiP stoppten, sei richtig.

Die Testergebnisse, ob wirklich Pferdefleisch in diesen Produkten enthalten war, stehen zwar noch aus. „Die Ergebnisse sind aber wichtig, denn es geht um das Vertrauen der Verbraucher in den Händler, das beschädigt werden könnte“.

„Völlige Transparenz. Es darf nichts unter den Teppich gekehrt werden“, unterstreicht Planer. Dies sollte eine Lehre aus der Imageverschlechterung der Banken in der Finanzmarktkrise sein. Für die Supermärkte gehe es auch um das Vertrauen der Kunden in die Eigenmarken, für deren Qualität die Händler selbst verantwortlich seien. Bei Markenartikeln stehe der Hersteller mit seinem Namen ein.

„Wir wollen möglichst viel Transparenz auf dem Etikett“, betont Verbraucherschützer Valet. Bei Fertigprodukten sollte die Herkunft der Hauptzutaten erkennbar sein. Kaum einer wisse, dass Brasilien und Thailand auf dem Weltmarkt große Lieferanten für Geflügelfleisch seien. Im vergangenen Jahr sei deutlich geworden, dass tiefgefrorene Erdbeeren im Extremfall sogar aus dem fernen China kommen könnten. „Je mehr bei einem Lebensmittel mitspielen, umso höher ist das Risiko“, meint Valet. Regionale Produkte böten mehr Sicherheit.

Jeder zweite Verbraucher wünscht sich einer Studie zufolge mehr Durchblick bei Lebensmitteln, insbesondere zur Herkunft und zum Inhalt. Das hat eine GFK-Umfrage vom Dezember unter 4000 Konsumenten in Deutschland im Auftrag des Standardisierungs- Unternehmens GS1 Germany ergeben, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Bei Fleisch und Fisch finden die Verbraucher demnach Herkunftsangaben am wichtigsten, gefolgt von Obst und Gemüse.