Analyse: Folgt Schwarz-Rot der Kanzlerin?

Berlin (dpa) - Am Morgen danach lässt die Kanzlerin eines der schärfsten Instrumente im Werkzeugkasten, mit dem sie im Notfall die Abgeordneten hinter sich zwingen kann.

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„Nein, die Vertrauensfrage erwäge ich nicht zu stellen“, sagt Angela Merkel in Brüssel auf die Frage einer Reporterin. Es ist ein typischer, leicht verdrehter Kanzlerinnen-Satz. Doch für die Abgeordneten Zuhause in den Wahlkreisen dürfte die Botschaft klar sein: Für ihren Einsatz zugunsten harter Auflagen für Athen erwartet sie nun Rückendeckung.

Aber kann sie sich wirklich auf eine Mehrheit der eigenen Fraktion verlassen, wenn der Bundestag wohl an diesem Freitag über Verhandlungen für ein drittes Griechenland-Hilfspaket entscheidet? Bei der Verlängerung des zweiten Hilfspakets für Athen Ende Februar hatten immerhin mehr als 100 der 311 Abgeordneten von CDU und CSU nur mit großen Bauchschmerzen zugestimmt.

Nach dem Stand der Dinge wäre eine Vertrauensfrage wohl auch gar nicht nötig. In der Führung der Unionsfraktion wird mit einer klaren eigenen Mehrheit gerechnet. Den Griechen werde schließlich sehr viel abverlangt in dem Paket, dass die Euro-Chefs mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras aushandelt haben, ist aus der Spitze der Unionsfraktion zu hören.

Vor allem der Treuhandfonds wird als handfester Vorteil genannt, den Merkel & Co. herausgeholt haben. „Wir haben etwas in der Hand, nicht mehr nur Luftbuchungen. Es sind Gegenwerte da“, heißt es in der Union. Und außerdem gehe es ja lediglich darum, weiteren Verhandlungen zuzustimmen. Am Tag X, wenn der Bundestag tatsächlich über ein neues Hilfspaket befinden muss, könnte es dann doch wieder anders aussehen, schwingt dabei mit.

An der SPD werden Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket mit einem Volumen von bis zu 86 Milliarden Euro sicher nicht scheitern. „Die Einigung entspricht der sozialdemokratischen Vorstellung von Solidarität als Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Fraktionschef Thomas Oppermann. Bereits im Februar hatten die SPD-Abgeordneten einstimmig für eine Verlängerung des zweiten Pakets bis Ende Juni gestimmt.

Dennoch hat das Griechen-Drama bei den Genossen tiefe Spuren hinterlassen. Das Verhältnis zwischen Fraktion und Parteichef Sigmar Gabriel ist angespannt. Gabriel hatte gegenüber Athen öffentlich die Brechstange rausgeholt, weil er verhindern wollte, dass allein die Union sich als Hüterin von Steuerzahlerinteressen aufspielen kann. Doch Gabriel überzog aus Sicht vieler SPD-Abgeordneter, weil er auch populistische Töne angeschlagen habe („Wir werden nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen.“)

Am Wochenende folgte Gabriels Eiertanz um den umstrittenen Vorstoß von Finanzminister Wolfgang Schäuble („Ich kenne kein Papier, ich kenne seine Idee“), die Griechen notfalls für mindestens fünf Jahre aus dem Euro zu werfen. Gabriel war in den Plan eingeweiht, schließlich war er persönlich am vergangenen Donnerstagabend im Kanzleramt von Schäuble in einer Runde mit Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer darüber unterrichtet worden.

Gabriel sei Schäuble auf den Leim gegangen. So etwas dürfe dem Parteichef eigentlich nicht passieren, sagen nun selbst Genossen, die in erster Erregung noch ihre Hand dafür ins Feuer gelegt hatten, dass die SPD von der Schäuble-Idee nie und nimmer etwas gewusst habe.

Der größere Buhmann aus SPD-Sicht ist nun aber der Finanzminister. „Der Grexit-Vorschlag hat Europa an den Rand der Spaltung gebracht“, schimpft SPD-Finanzexperte Carsten Schneider. Hinter den Kulissen wird drastischer mit dem Kassenwart Wolfgang Schäuble abgerechnet. Der CDU-Mann habe es mit seinem Timeout-Vorschlag zu weit getrieben und so sein Renomee als großer Europäer ein Stück weit selbst ramponiert. Das werde auf die Union als Ganzes zurückfallen. „Europartei CDU isch over“, glaubt SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer.

Bei der CSU ist von der „roten Linie“ gegen das neue Hilfspaket für Griechenland längst nichts mehr übrig. CSU-Chef Horst Seehofer folgt Merkels Vorgaben in der Euro-Krise. Das, was die Kanzlerin durchgesetzt habe, sei „beachtlich“, lobt er. „Ich bin sehr zufrieden mit dem, was auf dem Tisch liegt.“ Bei einer Telefonschalte des CSU-Präsidiums erklärt der Chef am Montag seinen Kurs. Widerworte kommen nur von Parteivize Peter Ramsauer und dem früheren Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich.

Und auch CSU-Wirtschaftsmann Hans Michelbach ist skeptisch: „Es sind viele dicke Fragezeichen und ich bin noch nicht sicher, dass das die dauerhafte Lösung ist.“