Analyse: Frankreichs neuer Präsident auf Gipfeltour

Paris (dpa) - Oberbefehlshaber der weltweit drittgrößten Atomstreitmacht, Staatsoberhaupt der zweitstärksten EU-Volkswirtschaft und Inhaber des Vetorechts im UN-Sicherheitsrat: Der neue französische Präsident François Hollande konnte mit reichlich Selbstbewusstsein zu seinem ersten Gipfel-Marathon aufbrechen.

Von Bundeskanzlerin Angela Merkel bis hin zu US-Präsident Barack Obama freuen sich offiziell alle darauf, den Nachfolger des konservativen Nicolas Sarkozy besser kennenzulernen. „Über mangelnde Aufmerksamkeit wird sich Hollande weder beim G8-Treffen noch beim Nato-Gipfel beklagen müssen“, sagten Diplomaten vor dessen Abreise in Paris. Und mehr als Recht sollten sie behalten.

Beim ersten Treffen mit Obama machte Hollande klar, von einem seiner Wahlversprechen keinesfalls beim Nato-Gipfel am Sonntag und Montag abrücken zu wollen. Frankreich zieht seine 3400 Mann starke Kampftruppe zwei Jahre früher aus Afghanistan ab, als in der Allianz vereinbart. Dafür werde die Regierung in Paris an anderer Stelle einen Ausgleich leisten, sagte Hollande. Strategisch kaum ein Problem, aber politisch ein fatales Signal, kritisieren Diplomaten.

Auch logistisch ist der frühe Abzug keine leichte Sache. Neben den Soldaten sind rund 1400 Container, 900 Fahrzeuge und 14 Helikopter außer Landes zu schaffen. Die Transportmittel dafür müssen zum Teil von Nato-Partnern geliehen werden. Wenn die sich sperren, wird es schwierig mit dem Abzug zum 31. Dezember.

Noch heikler könnte die Diskussion um ein anderes Thema werden. Hollande hatte im Wahlkampf auch Vorbehalte gegen das neue Nato-Raketenabwehrsystem in Europa deutlich gemacht. Es ist dem Präsidenten sowohl strategisch als auch politisch gesehen ein Dorn im Auge. Zwei bis drei Milliarden Euro müsste allein das hoch verschuldete Frankreich bis 2020 aufbringen, zitierte jüngst die Wirtschaftszeitung „Les Echos“ Schätzungen. Zudem käme das Geld vor allem der US-Industrie zugute.

Aus strategischer Sicht könnte die Raketenabwehr zudem Frankreichs Stellung als Weltmacht gefährden. Sollte das System erst einmal stehen, könnten berechtigte Forderungen nach einer Abrüstung der französischen Atomwaffen laut werden, wie sie schon jetzt aus Deutschland kommen. Die unabhängige „Force de Frappe“ ist allerdings Garant des internationalen Einflusses, sowohl für die Nation als auch für den Präsidenten.

Vergleichsweise entspannt dürfte deswegen der G8-Gipfel für Hollande werden. Beim Thema staatlich finanziertes Wachstum liegt der neue französische Präsident ganz auf US-Linie. „Deutschland wird beim G8-Gipfel isoliert sein, nicht Frankreich“, zitierte die französische Tageszeitung „Le Figaro“ am Freitag einen Gipfelbeobachter.

Aber auch beim G8-Gipfel ist der eine oder die andere reserviert. Konservative Staats- und Regierungschefs wie Großbritanniens Premierminister David Cameron oder Merkel hatten während des französischen Wahlkampfs keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie einen Sieg Sarkozys lieber gehabt hätten. Die Zusammenarbeit funktionierte, auch wenn der kleine Franzose mit seinem ausgeprägten Aktionismus nicht selten für Kopfschütteln sorgte.