Analyse: Frauenpower für Neuanfang bei der Linken
Berlin (dpa) - Er hat sich durchgesetzt, aber Freude darüber konnte bei Dietmar Bartsch nicht so recht aufkommen. Über den Rückzug von Oskar Lafontaine aus dem Rennen um den Parteivorsitz sei er „nicht glücklich“, sagte der 54-jährige Stralsunder auf einer Regionalkonferenz in Berlin.
„Jeder hier im Saal weiß, dass es die Linke in dieser Form ohne Oskar Lafontaine nicht geben würde.“ Die gedämpfte Stimmung Bartschs dürfte aber vor allem woanders herrühren. Sein Erfolg in der Auseinandersetzung mit Lafontaine könnte sich schon bald als Pyrrhussieg herausstellen. Denn unmittelbar nach dem Rückzug des 68-jährigen Saarländers wurde die zweite Runde im Machtkampf um den Parteivorsitz eingeläutet. Und diesmal dürfte es noch schwerer für Bartsch werden. Es geht gegen zwei Frauen. Katja Kipping aus Sachsen und Katharina Schwabedissen aus Nordrhein-Westfalen.
Die 34-jährige Kipping gilt neben Sahra Wagenknecht als größtes Nachwuchstalent der Partei. Die Dresdnerin ist erst vor wenigen Monaten Mutter geworden und wollte deswegen in der Partei eigentlich nicht nach ganz oben aufrücken. Angesichts der festgefahrenen Auseinandersetzung zwischen Bartsch und Lafontaine ergriff sie dann doch die Initiative für einen dritten Weg.
Die 39-jährige Schwabedissen hat zwar gerade die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen als Spitzenkandidatin mit einem desaströsen Ergebnis von 2,5 Prozent verloren. Der Grund für die verheerende Niederlage wird innerparteilich aber vor allem der Personaldebatte auf Bundesebene zugeschoben. Das Verliererimage haftet der gelernten Krankenschwester deswegen nicht an.
Beide wollen den Generationenwechsel in der Partei und die Gräben zwischen Ost und West, Reformern und Dogmatikern so gut wie es geht überbrücken. Deswegen haben sie ein Team um sich geschart, das unterschiedliche Strömungen zusammenführt. Das Frauenpower-Team will vor allem die Ära beenden, in der sich die Linke vom Agieren ihrer Überväter Lafontaine und Fraktionschef Gregor Gysi abhängig machte. Im „Bewerbungsschreiben“ der Frauen ist von „Aufbruch in Richtung einer neuen, nicht-autoritären Linken“ die Rede.
Die Chancen gegen Bartsch stehen nicht schlecht. Sein Machtkampf mit Lafontaine hat die Partei an den Rand einer Spaltung gebracht. Daran hat auch der Verzicht des Saarländers nichts geändert. Die Auseinandersetzung der beiden Lager geht weiter. Die Lafontaine-Leute wollen nun auch Bartsch zum Rückzug bewegen. Sie werfen ihm Machtversessenheit ohne Rücksicht auf Verluste vor. „Dietmar Bartsch ist jemand, der nicht von der Macht einer politischen Vision, sondern von der bloßen Vision der politischen Macht angetrieben ist“, sagte der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic im Radio eins des RBB.
Die Kraftverhältnisse in Runde zwei des Machtkampfs sind noch unklar. Die meisten Landesverbände wollen sich noch nicht festlegen. Sehr wahrscheinlich werden auch noch weitere Kandidaturen folgen. Ziemlich fest steht inzwischen nur, dass die Entscheidung in Kampfabstimmungen auf dem Göttinger Parteitag fällt. „Die Mitglieder müssen das Sagen haben“, sagte Bartsch am Mittwoch der dpa. „Und es gibt kein Gremium, das entscheiden kann, außer dem Parteitag.“