Analyse: Gaddafis Scheitern ist auch Afrikas Problem

Kapstadt (dpa) - Afrikas Führer lassen keinen der ihren so einfach fallen. Auch im Fall Muammar al-Gaddafis hielt die Afrikanische Union (AU) treu zu Libyens Machthaber. So wird sein Scheitern in den Augen vieler auch zu einer neuen Pleite der Organisation der 54 afrikanischen Staaten.

„Die AU handelt nicht anderes als die Vorgängerorganisation OAS, der als 'Club der Diktatoren' berüchtigt war“, meinte Frans Cronje, Vizedirektor des Politikinstituts SAIRR (Johannesburg).

Wieder einmal sind Afrikas Staaten kaum mehr als mäkelnde Zuschauer, während auf dem eigenen Kontinent die Würfel über die Zukunft von Völkern fallen. Am Freitag soll nun auf einem AU-Sondergipfel das Thema Libyen erörtert werden. Südafrikas Präsident Jacob Zuma nahm Afrikas Beschwerden schon vorweg. Die UN-Resolution sei von der NATO „missbraucht“ worden, das Bündnis habe „Afrikas Rolle bei der Suche nach einer Lösung untergraben“, sagt er empört.

Dabei verschweigt er, dass seine Vermittlungsversuche in Libyen im Auftrag der AU kläglich gescheitert waren. Auch der Demokrat Zuma galt wie viele andere Staats- und Regierungschefs in Afrika stets als ein politischer Freund Gaddafis. „Manche afrikanischen Führer ... und auch die AU werden nun die Gelder aus Tripolis vermissen“, meinte der Afrika-Experte Henning Snyman vom Politikinstitut SAIIA (Johannesburg).

Die AU sei nicht viel mehr als eine „Schwatzbude“, sagt Cronje. „Sie beschwert sich seit Jahren über westliche Interventionen, aber zu selbstständigem Handeln können sie sich nicht aufraffen.“ So war es oft in der jüngeren Geschichte Afrikas - zuletzt in der Elfenbeinküste, wo erst französische Streitkräfte im April den Bürgerkrieg beendeten.

Die wenigen AU-Friedenstruppen auf dem Kontinent haben den Ruf, eher passiv für einen häufig brüchigen Frieden zu sorgen. An Waffen und gut ausgebildeten Militärs mangele es beispielsweise in Südafrika oder Nigeria nicht, betonte Cronje. Es fehle der politische Wille.

Die AU war 2002 mit dem ehrgeizigen Ziel angetreten, die „Vereinigten Staaten von Afrika“ zu schaffen. Es sollte eine Währung geben, eine Armee, eine Regierung. Sowohl die Gründung der Organisation als auch der kühne Traum wurden massiv von Gaddafi vorangetrieben.

„Sein größter Beitrag war es, sich mit Bestechungen den Weg zum AU-Vorsitz zu ebnen, um ein Afrika ohne Grenzen zu schaffen, das er führen würde“, schrieb der Direktor der britischen „Royal African Society“, Richard Dowden. Gaddafi habe vor allem die Präsidenten armer Länder bestochen oder aber bei unwilligen Staaten die Opposition massiv unterstützt. Afrikas Potentaten - wie Simbabwes autokratischer Präsident Robert Mugabe - konnte sich auf die Solidarität des reichen Oberst in Tripolis meist verlassen.

Auch wenn der libysche Herrscher seinen Traum vom „Führer Afrikas“ und „König der Könige“ doch nicht verwirklichen konnte, so wurde doch seine Politik der Korruption und Intrigen stilbildend für die AU. Derzeitiger AU-Präsident ist der Herrscher Äquatorial Guineas, Obiang Nguema Mbasogo. Ihm werden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Korruption vorgeworfen.

Er muss ebenso wenig wie Mugabe und andere selbstherrliche Führer fürchten, dass die AU tatsächlich daran gehen werde, die propagierten edlen Ziele von Demokratie und Menschenrechtscharta wirklich zu unterstützen. Der sudanesische Präsident Omar al Baschir, vom internationalen Gerichtshof per Haftbefehl gesucht, darf sich überall in Afrika sicher fühlen. Auch von den wirtschaftlichen Visionen ist die Union weit entfernt. Der Wunsch, ökonomisch zusammen zu rücken, scheitert schon an den 14 Wirtschafts-Regionalorganisationen Afrikas, die sich teilweise mehrfach überlappen.

Der Mangel an afrikanischer Handlungsfähigkeit und Prinzipientreue wird nicht nur bei politischen Krisen augenfällig. Auch die gegenwärtige Hungerkatastrophe wurde zu einem Prüfstein afrikanischer Solidarität. Bisher scheinen die Afrikaner kläglich versagt zu haben. Mehrere Hilfsorganisationen wie Oxfam prangerten vergangene Woche die afrikanischen Staaten an, die zusammen bisher nicht mehr als 500 000 Dollar gespendet hätten. Nun steht in Addis Abeba der AU-Gipfel zur Hungerkrise am Horn von Afrika an, auf der sichtlich eine Schadensbegrenzung und eine Imagekorrektur angestrebt werden. Dann erst will sich der Gipfel mit Libyen beschäftigen.