Analyse: Jubel für Bald-Bürgermeister Scholz
Hamburg (dpa) - Er bleibt hanseatisch. Schon während des Wahlkampfs um Ernsthaftigkeit und Seriosität bemüht, bleibt Hamburgs künftiger SPD-Bürgermeister Olaf Scholz selbst bei seinem von „Olaf, Olaf“-Rufen begleiteten Einzug auf die SPD-Wahlparty in der Fabrik im Stadtteil Altona kühl.
Nur ein spitzbübisches Lächeln zeigt sich auf seinem Gesicht, als ihm die mehr als 1000 anwesenden Sozialdemokraten zujubeln, und viele „Wir danken Dir“ rufen. Schließlich ist ihm gelungen, was bislang kein Politiker in Hamburg geschafft hat. Er hat die SPD nicht nur nach fast zehn Jahren aus der Opposition befreit, sondern bei der ersten von sieben Landtagswahlen in diesem Jahr auch gleich noch die absolute Mehrheit erreicht.
Das beeindruckt selbst den SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel in Berlin: „Man kann zu recht sagen, dass das ein historisches Ergebnis ist - nicht nur für uns, sondern auch für die anderen“, feixt er. Denn in der Tat: Während die SPD nach dem vorläufigen amtlichen Teil-Ergebnis 48,3 Prozent und damit einen Zuwachs von rund 14 Punkten im Vergleich zur Wahl 2008 erreicht, fährt die bislang in der Hansestadt regierende CDU unter Bürgermeister Christoph Ahlhaus ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten ein. Nach 42,6 Prozent bei der Wahl 2008 stürzt sie um fast 21 Punkte auf 21,9 Prozent ab.
Auch wenn Umfragen schon Wochen vor der Wahl der CDU eine Niederlage vorhergesagt haben, ist die Enttäuschung bei den Christdemokraten dennoch groß. Vor allem, dass selbst das schlechteste Umfrageergebnis noch einmal deutlich unterboten worden ist, macht so machen Christdemokraten sprachlos. Entsprechend zerknirscht gibt sich Ahlhaus: „Das muss der CDU eine Lehre sein“, sagt er und kündigt am Wahlabend an, nun in der Opposition kräftig mitmischen zu wollen.
In welcher Funktion, lässt er offen - wohl wissend, dass selbst diese Aussage schon aller Voraussicht nach einen parteiinternen Machtkampf nach sich ziehen wird. Denn auch der nun schwer angeschlagene Partei- und Fraktionsvorsitzende Frank Schira will weitermachen.
Doch nicht nur die CDU geht ramponiert aus der Wahl. Vor allem die Grünen - in Hamburg GAL genannt - haben Beobachtern zufolge mit Zitronen gehandelt. Schließlich waren sie es, die Deutschlands erstes schwarz-grünes Regierungsbündnis auf Landesebene nicht einmal 100 Tage nach dem Rücktritt von CDU-Bürgermeister Ole von Beust aufgekündigt und die Neuwahl verursacht haben. Obwohl sie zwar einen Stimmenzuwachs um gut eineinhalb Punkte auf 11,2 Prozent verzeichnen können, haben sie sich mit ihrem Plan einer neuen Koalition mit der SPD nun direkt auf die Oppositionsbank befördert.
So verteidigt Spitzenkandidatin Anja Hajduk, unter Schwarz-Grün Umweltsenatorin, zwar die Neuwahlentscheidung, räumt aber zerknirscht ein: „Wir wollten es schaffen, eine SPD-Alleinregierung zu verhindern. Das ist uns nicht gelungen.“
Obwohl die SPD nun rund 20 Jahre nach Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) in der Hamburger Bürgerschaft wieder allein regieren kann, wird das Parlament des Stadtstaates bunter. Neben der Linken, die mit 6,4 Prozent zum zweiten Mal in die Bürgerschaft einzieht, hat erstmals seit 2004 auch die FDP mit 6,6 Prozent die Fünf-Prozent-Hürde wieder übersprungen. Entsprechend glücklich zeigt sich die politisch bislang relativ unerfahrene, aber wegen ihres Aussehens bereits als „Westerwelles Top Model“ verspottete FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding: „Wir kommen ja von einer ganz anderen Basis, und da sind wir froh, dass wir es überhaupt geschafft haben.“
Hamburgs künftigem Bürgermeister Scholz kann das alles egal sein. Er muss nun unter anderem Lösungen für die rund 25 Milliarden Euro Schulden des Stadtstaates finden, die Bildungspolitik vorantreiben, die Wohnungsknappheit bekämpfen und den Hafen unterstützen. Als der frühere Bundesarbeitsminister in der Fabrik Hand in Hand mit seiner Frau, der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Britta Ernst, auf der Bühne steht, scheint er auch am liebsten sofort loslegen zu wollen - ruft er seinen Genossen doch nach seiner knapp gehaltenen Dankesrede schlicht zu: „An die Arbeit!“