Absolute Mehrheit für Hamburg-SPD - Debakel für CDU
Hamburg (dpa) - SPD-Triumph zum Auftakt des Superwahljahres, Fiasko für die CDU: Bei der vorgezogenen Bürgerschaftswahl am Sonntag in Hamburg haben die Sozialdemokraten mit Spitzenkandidat Olaf Scholz (52) nach dem vorläufigen amtlichen Teil-Endergebnis die absolute Mehrheit der Mandate errungen.
Sie übernehmen nach dem Machtverlust 2001 wieder das Amt des Bürgermeisters.
Für die CDU ist es das schwächste Wahlergebnis seit Kriegsende in Hamburg. Die Bundespartei legt damit 2011 einen Stolperstart hin. Schon in wenigen Wochen muss die CDU von Kanzlerin Angela Merkel in Sachsen-Anhalt (20. März), Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz (27. März) wichtige Landtagswahlen bestehen. Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen war Hamburg allerdings kein bundespolitischer Stimmungstest.
Die Grünen legten laut den Zahlen des Statistischen Amtes Hamburg vom späten Abend leicht zu, werden aber zum Regieren aller Voraussicht nach nicht gebraucht. Auch FDP und Linke sind in der Bürgerschaft vertreten. Damit können die Liberalen nach miserablen Umfragen im Vorjahr für die kommenden Wahlen etwas Hoffnung schöpfen. Erstmals seit 1993 sitzt die FDP in allen 16 Landtagen.
Die Mandate im Hamburger Landesparlament verteilen sich wie folgt: SPD 62 Sitze (2008: 45), CDU 28 Sitze (56), Grüne 14 (12), FDP 9 Sitze (0), Linke 8 Sitze (8).
Nach dem vorläufigen amtlichen Teil-Endergebnis kam die vom früheren Bundesarbeitsminister Scholz geführte SPD auf 48,3 Prozent. Dies bedeutet einen Zugewinn von gut 14 Prozentpunkten und das beste Ergebnis der Sozialdemokraten bei einer Landtagswahl seit 1994 in Brandenburg. Bei der Bürgerschaftswahl 2008 lag die Hamburger SPD noch bei 34,1 Prozent. Im Wahlkampf hatte sich Scholz vor allem für einen wirtschaftsfreundlichen Kurs stark gemacht.
Die CDU mit dem bisherigen Bürgermeister Christoph Ahlhaus (41) erzielte nur noch 21,9 Prozent (2008: 42,6) - sie hat damit ihren Stimmenanteil praktisch halbiert. Ahlhaus sagte: „Diese Stunde ist schmerzhaft für die CDU, und sie reißt uns in Ratlosigkeit.“ An der herben Niederlage für die CDU gebe es nichts zu beschönigen.
Die Grünen (GAL) mit Spitzenkandidatin Anja Hajduk (47) lagen bei 11,2 Prozent (2008: 9,6) und damit bei weitem nicht auf dem Niveau ihrer bundesweiten Umfragewerte - vermutlich eine Quittung für die gescheiterte Koalition mit der CDU in der Hansestadt. Die FDP ist mit 6,6 Prozent erstmals seit sieben Jahren in der Bürgerschaft (4,8). Die Linke schaffte mit 6,4 Prozent unverändert wieder den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung war mit 57 Prozent noch niedriger als 2008 (63,5 Prozent).
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte am Abend: „Der Erfolg hat einen Namen, und der heißt Olaf Scholz. (...) Ich glaube, dass das ein historisches Ergebnis ist. Nicht nur für uns, sondern auch für die anderen.“ Scholz selbst sprach von einem „sehr, sehr beeindruckenden Wahlergebnis“. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe machte die Grünen in Hamburg für das Scheitern der CDU/GAL-Koalition verantwortlich. „Das ist eine schwere Hypothek, die jede Vorstellung belastet, dass Grün zur Regierungsverantwortung befähigt ist.“
Nach Ansicht von Grünen-Parteichef Cem Özdemir haben die Hamburger mit dem SPD-Sieg für klare Verhältnisse gesorgt. „Wenn die CDU über 20 Prozent verliert - das verändert die Kräfteverhältnisse hier auf eine radikale Art und Weise.“ Nach Ansicht der Grünen- Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Renate Künast, ist der Wahlausgang „vor allem ein Debakel für die Bundeskanzlerin“.
FDP-Chef Guido Westerwelle sah im Abschneiden seiner Partei „einen Auftakt nach Maß“ im Superwahljahr 2011. Die Linke-Bundesvorsitzende Gesine Lötzsch erwartet vom Hamburger Wahlergebnis Rückenwind für ihre Partei bei den anderen sechs Landtagswahlen in diesem Jahr. „Wir gewinnen Wahlen und nicht Umfragen.“
Laut Forschungsgruppe Wahlen gab für 82 Prozent der Befragten in Hamburg die Lokalpolitik den Ausschlag für ihre Wahlentscheidung, nur für 16 Prozent die Bundesebene. Die CDU habe gravierende Kompetenzverluste in vielen wichtigen Politikfeldern zu verzeichnen. Die SPD wurde in allen Bevölkerungsgruppen klar stärkste Partei. Eine personell und inhaltlich überzeugende SPD sei auf einen denkbar schwachen politischen Gegner getroffen.
Nach einem verpatzten Start hatte Schwarz-Gelb unter Führung von Kanzlerin Merkel bereits im Mai 2010 bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eine schwere Niederlage mit anschließendem Machtverlust erlitten. Höhepunkt des Superwahljahres 2011 wird der 27. März sein, wenn in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewählt wird.
Vor allem der Ausgang der Wahl im CDU/FDP-regierten Baden-Württemberg, wo ebenfalls ein Regierungswechsel möglich scheint, könnte starke Auswirkungen auf die schwarz-gelbe Koalition im Bund haben. Gewählt werden außerdem die Parlamente in Sachsen-Anhalt (20. März), Bremen (22. Mai), Mecklenburg-Vorpommern (4. September) und Berlin (18. September).
Die Grünen in Hamburg hatten Ende November das Regierungsbündnis mit der CDU einseitig aufgekündigt. Sie begründeten dies unter anderem damit, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei. Zuvor waren innerhalb weniger Monate fünf CDU-Senatsmitglieder zurückgetreten - einschließlich des beliebten Bürgermeisters Ole von Beust. Der gebürtige Heidelberger Ahlhaus schaffte es in der kurzen Zeit an der Spitze des Senats nicht, auch nur annähernd so populär zu werden wie Beust, der die CDU 2001 nach Jahrzehnten in der Opposition an die Regierung geführt hatte.
Die Wahl bedeutet auch eine weitere Schwächung der schwarz-gelben Bundesregierung in der Länderkammer. Seit dem Bruch der schwarz-grünen Koalition in Hamburg hatte das Regierungslager dank des CDU-Übergangssenats Ahlhaus im Bundesrat 34 der 69 Stimmen - nun sind es nur noch 31. Zur Durchsetzung zentraler Gesetzesvorhaben sind 35 der 69 Stimmen nötig. Seitdem landen strittige Gesetzesvorhaben wie aktuell die Hartz-IV-Reform häufiger im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.
Wahlberechtigt waren in der Hansestadt rund 1,3 Millionen Bürger. Sie entschieden in einem neuen komplizierten Verfahren über 121 Sitze im Landesparlament, für die sich 864 Kandidaten aus zwölf Parteien und einer Wählervereinigung bewarben.