Analyse: Krisengipfel psychologisch wichtig

Berlin (dpa) - Van Rompuy will einen Euro-Krisengipfel, um die verfahrene Lage beim neuen Griechenlandpaket zu entzerren. Die deutsche Seite sieht dafür keine Notwendigkeit. Doch eine Absage wäre jetzt wohl schlimmeres Signal an die Märkte als ein Gipfel ohne konkretes Lösungsangebot.

Der Sprecher des Finanzministeriums in Berlin war sichtlich bemüht, die neuerliche Aufregung um den Widerstand der Deutschen gegen einen Euro-Sondergipfel herunterzuspielen. Die Euro-Finanzminister hätten Anfang der Woche bereits alles auf den Weg gebracht, was für ein weiteres Griechenlandpaket nötig sei, sagte Martin Kotthaus am Mittwoch. Man wolle sich jetzt die nötige Zeit nehmen, um alle Optionen und Vorschläge, die auf dem Tisch lägen, ohne Denkverbote zu prüfen. Nur keine unnötige Hektik.

Doch so einfach ist das nun auch wieder nicht. Das Treffen der Finanzminister war dem Vernehmen nach nicht so erfolgreich, wie Kotthaus dies zu verkaufen suchte. Im Grunde komme die Ministerrunde bei ihren Bemühungen um ein neues Griechenlandpaket seit Wochen nicht wesentlich weiter, hieß es. Mit Blick auf den geplanten Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs fragt der SPD-Finanzpolitiker Joachim Poß gar: „Ist das bereits so etwas wie eine Bankrotterklärung von Schäuble und Co.?“ Die deutsche Position sei sprunghaft. „Politische Führung, die Europa dringend braucht, sieht anders aus.“ Alles dies mache die Finanzmärkte nervös. Dies um so mehr, als sich mit Irland und Italien schon die nächsten Euro-Baustellen auftun.

Einer der zentralen Streitpunkte ist die vor allem von deutscher Seite betriebene Beteiligung des Privatsektors am nächsten Griechenlandrettungspaket. Kotthaus zeigte sich am Mittwoch zuversichtlich, dass an einem neuen Griechenlandpaket private Gläubiger beteiligt sein Werden. Dies zeichne sich jedenfalls inzwischen in der Euro-Gruppe deutlich ab. Eine Beteiligung des Privatsektors ist finanztechnisch äußerst anspruchsvoll und führte bei den Finanzministern der 17 Euro-Länder aus unterschiedlichen Gründen zu heftigem Gezerre.

Um die Märkte wieder zu beruhigen, muss das Gezerre um das neue Griechenlandpaket schnell beendet werden. Das ist auch Konsens in der Bundesregierung. Eine schnelle Lösung der Probleme aber wird den Finanzministern nicht mehr zugetraut. Daher will wohl auch der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, einen kurzfristigen Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs einberufen. Dieser Krisengipfel soll aus der verworrenen Situation herausführen. Doch noch scheint nicht so richtig klar, wie dies möglich ist.

Solange kein konkreter Ausweg in Sicht ist, steht die deutsche Seite einem Krisentreffen sehr reserviert gegenüber. In der Tat läuft Van Rompuy mit einem Treffen ohne akzeptablen Lösungsansatz Gefahr, Wasser auf die Mühlen der Ratingagenturen zu gießen und die Situation eher noch zu verschlimmern als zu verbessern. Andererseits sind die Vorbereitungen für den Gipfel schon so weit gediehen, dass eine - von deutscher Seite betriebene - Absage des Treffens nicht minder gefährlich scheint.

Kotthaus, der lange Zeit Sprecher der deutschen EU-Vertretung in Brüssel war, sagte, es sei zwar schon alles auf dem Weg, aber manchmal sei es aus „psychologischen Gründen“ notwendig, wenn dies alles nochmals von den Staats- und Regierungschefs bestätigt werde. Und die stellvertretende Regierungssprecherin Sabine Heimbach betonte, die Entscheidung zu einem Gipfel liege letztlich beim Präsidenten des Europäischen Rates. Diese sei noch offen. Van Rompuy muss in der Tat spätestens an diesem Donnerstag seine Einladungen verschicken. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kehrt am Donnerstag von ihrer Afrikareise zurück. Am Freitagnachmittag hat sie Termine in Deutschland - und wohl solche, die sich kurzfristig ändern ließen.