Analyse: Machtkampf in Bagdad

Bagdad (dpa) - Nicht selten beginnen mit solchen Szenarien Militärputsche. Am Sonntagabend ließ der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki in Bagdad Soldaten an wichtigen strategischen Punkten der Hauptstadt positionieren.

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Sie sicherten Straßen und Brücken.

Auch die Grüne Zone, das streng abgeschirmte Regierungs- und Parlamentsviertel, ließ er absperren. Panzer fuhren an den Zugängen vor. Es war der erste Teil einer offensichtlich gut vorbereiteten Machtdemonstration des Regierungschefs.

Wenig später wandte sich Al-Maliki mit einer überraschenden TV-Ansprache an die Iraker. Seine Botschaft war eindeutig: Im Machtkampf mit seinen Konkurrenten weicht er keinen Millimeter zurück. Al-Maliki will für eine weitere Amtsperiode gewählt werden und verweist auf den Wahlsieg seiner Rechtsstaats-Allianz Ende April. Präsident Fuad Massum habe die Verfassung gebrochen, weil er das Bündnis - sprich: ihn selbst - nicht mit der Regierungsbildung beauftragt habe, polterte er.

Seit Wochen schon ignoriert der Regierungschef den wachsenden Widerstand gegen ihn, obwohl gleichzeitig die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) mehr und mehr Gebiete erobert. Ihm kommt zugute, dass seine Gegner bislang zu schwach waren, um ihn tatsächlich zu stürzen.

Seine Macht stützt Al-Maliki vor allem auf die Sicherheitskräfte. Seit seiner Amtsübernahme 2006 hat er Militär, Geheimdienst und andere Einheiten unter seine Kontrolle gebracht. Dabei umging er mit einem ausgeprägten Machtinstinkt die ursprünglichen Hierarchien und baute parallele Kommandostrukturen auf. Die Befehlsfäden laufen im Amt des Regierungschefs zusammen. Diese Macht spielt Al-Maliki jetzt aus.

So kann er den Konflikt eskalieren lassen - lösen wird er ihn durch diese Drohgebärden nicht. Trotz seines Wahlsiegs Ende April braucht er nämlich im Parlament Koalitionspartner, um sich wiederwählen zu lassen. Viele Verbündete sind dem Regierungschef allerdings nicht mehr geblieben.

Die Sunniten im Land weigern sich schon seit langem, mit ihm zusammenzuarbeiten. Sie fühlen sich von der von Schiiten dominierten Regierung in Bagdad diskriminiert. So blieben ihnen wichtige Machtpositionen im Land bislang verwehrt. Viele Sunniten im Norden und Westen des Landes haben sich deshalb mit den IS-Extremisten verbündet. Und selbst die sunnitischen Gegner der Terrorgruppe schließen eine Zusammenarbeit mit Al-Maliki aus.

Die führenden Politiker der kurdischen Autonomiegebiete im Norden des Iraks verlangen ebenfalls vehement den Rückzug des Regierungschefs. Sie liegen mit ihm seit Jahren über die Erschließung von Ölvorkommen im Clinch. Zudem streiten sich Erbil und Bagdad über mehrere irakische Gebiete, die von den Kurden beansprucht werden. Kurdenpräsident Massud Barsani macht Al-Maliki auch für den IS-Vormarsch verantwortlich - und treibt zugleich die Unabhängigkeit der Autonomieregion voran.

Auch die meisten schiitischen Parteien haben sich endgültig von Al-Maliki abgewandt. Von seiner Machtdemonstration zeigten sie sich unbeeindruckt. Am Montag nominierte die Nationale Allianz, das Bündnis der schiitischen Parteien, Al-Malikis Parteifreund Haidar Al-Abadi für das Amt des Ministerpräsidenten. Staatschef Massum folgte diesem Vorschlag. Seit Wochen hatte die Nationale Allianz mit Al-Maliki erfolglos um einen Kompromisskandidaten gerungen.

Al-Abadi nahm den Auftrag zur Regierungsbildung an - offenbar geht der Riss mitten durch Al-Malikis eigenes Bündnis. Mit der Nominierung des Parteifreundes umschiffen die schiitischen Parteien zumindest den Vorwurf, die Verfassung zu brechen. Auf die Zustimmung Al-Malikis dürfen sie dennoch nicht hoffen. Er sieht nur sich selbst als alten und neuen Regierungschef des Landes.