Analyse: Obamas ungeliebter Krieg macht Berlin Probleme
Berlin (dpa) - Für US-Präsident Barack Obama war der Irak-Einsatz immer ein „ungeliebter Krieg“. Trotzdem fliegen über dem arabischen Land jetzt wieder US-Kampfjets. Auch die Bundesregierung sieht sich angesichts der aktuellen Krise im Irak mit schwierigen Entscheidungen konfrontiert.
Denn die Amerikaner schicken jetzt schon Waffen an die Kurden im Nordirak, damit diese die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) zurückdrängen können. Frankreich will auch die EU-Staaten für Waffenlieferungen an die Kurden gewinnen. In Berlin lautet die offizielle Linie bisher jedoch: Humanitäre Hilfe ja, Waffenlieferungen nein.
Doch dieses klare Nein ist zumindest bei einigen in der Union nicht ganz unumstritten. Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann mahnt, Deutschland könne nach der Vertreibungen von Hunderttausenden Jesiden und Christen im Irak nicht nur Besorgnis äußern und „ein paar Zelte liefern“. Der Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff hält Waffenlieferungen zwar prinzipiell auch für möglich - aber nur, falls es dafür ein UN-Mandat geben sollte.
Obwohl niemand bestreitet, dass die im Irak wütende Terrorgruppe IS grausam und gefährlich ist, schrecken die Grünen vor einem aktiven Eingreifen zurück. Waffenlieferungen überlassen sie lieber den Amerikanern.
Die SPD sieht in der Eskalation der Situation im Irak bisher aber noch keinen Anlass, den Kurs ihres Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel infrage zu stellen. Der hatte die deutsche Rüstungsindustrie zuletzt mit der Aussage aufgeschreckt, er wolle die Genehmigung von Waffengeschäften mit undemokratischen Ländern ab sofort restriktiver handhaben.
Dagegen hält der Fraktionsvorsitzende der ansonsten meist für Pazifismus werbenden Linken, Gregor Gysi, Waffenlieferungen im Irak-Konflikt für das Mittel der Wahl. Er sagt dem RBB, Deutschland solle die Kurden und andere irakische Kräfte, die gegen die Terrorgruppe IS kämpfen, unterstützen: „Indem wir dann vielleicht mal einen Waffenexport genehmigen“. Rüstungsexporte in den Irak seien allemal besser, als Katar und Saudi-Arabien mit Waffen zu beliefern, wie dies die Bundesregierung in der Vergangenheit getan habe.
Die Bundesregierung - und da sind sich die Koalitionspartner einig - will sich im Irak-Konflikt jedoch bisher nur humanitär engagieren. Den Vormarsch der Terrorgruppe IS aufzuhalten, dafür seien vor allem die USA und die politischen Parteien im Irak zuständig, erklärt Regierungssprecher Steffen Seibert.
Den Vorwurf, in den Krisengebieten Irak, Ukraine und Gaza sei derzeit wenig von der aktiven neuen deutschen Außenpolitik zu spüren, die Bundespräsident Joachim Gauck vor einigen Monaten gefordert hatte, weist die Regierung zurück. „Der Grad der Aktivität richtet sich natürlich auch immer danach, was man als deutsche Regierung erreichen kann“, gibt Seibert zu bedenken. Außerdem hätten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Steinmeier unermüdlich für Stabilität in der Ukraine engagiert. Es sei auch ihrem Einsatz zu verdanken, dass die Europäer im Ukraine-Konflikt zu einer einheitlichen Linie gefunden hätten.
Auch im Außenministerium verwehrt man sich gegen den Vorwurf der Untätigkeit. Ein Sprecher verweist unter anderem auf Steinmeiers Vorstoß für eine Rückkehr europäischer Kontrolleure an den Grenzübergang zwischen Ägypten und den palästinensischen Gazastreifen.
Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak sind nicht nur heikel, weil in Deutschland der Grundsatz gilt, keine Waffen in Kriegsgebiete zu schicken. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Kampfverbände der irakischen Kurden, die Peschmerga, ihre Waffen später benutzen würden, um ihrem Autonomiegebiet weitere Landstriche einzuverleiben oder um ihre staatliche Unabhängigkeit mit Gewalt durchzusetzen.
Zudem waren an der Rettung der verfolgten Jesiden zuletzt laut Berichten aus dem Krisengebiet nicht nur Peschmerga beteiligt, sondern auch Kämpfer der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die aus Syrien und der Türkei stammen. Dass die PKK jetzt Seite an Seite mit den Truppen von Kurden-Präsident Massud Barsani kämpft, dürfte bei der Regierung des Nato-Landes Türkei zumindest für Unbehagen sorgen.