Analyse: Nordkorea schürt mit Raketenstart neue Angst

Seoul/Peking (dpa) - Der Schuss ging nach hinten los: Nordkoreas gescheiterter Raketenstart ist ein schwerer Rückschlag für den jungen Machthaber Kim Jong Un. Sein Image könnte er jetzt mit einem unterirdischen Atomtest aufpolieren wollen.

Das Fiasko ist ein schwerer Rückschlag für die ehrgeizigen Ziele des isolierten stalinistischen Regimes, sich als System an der Schwelle zu einem „wohlhabenden und starken Land“ zu präsentieren. Der Flug der Rakete, mit der nach eigenen Angaben ein Satellit ins All geschossen werden sollte, galt als einer der Höhepunkte der laufenden Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des gottgleich verehrten „ewigen Präsidenten“ Kim Il Sung.

Der umstrittene Start schürt neue Ängste vor einer Eskalation der Spannungen in der Region. Südkorea und die USA fordern eine starke Reaktion der internationalen Gemeinschaft und ein klares Signal an Pjöngjang. Mit Sorge wird verfolgt, wie Nordkorea an der Entwicklung eines Trägersystems arbeitet, das atomare Sprengköpfe bis an die Ostküste der USA tragen könnte. Nordkorea bestreitet, dass der Start militärischen Zwecken gedient habe. Aber auch Experten in China gehen von einem verdeckten Test einer Trägerrakete für Atomwaffen aus.

Die Gefahr, dass Nordkorea jetzt auch noch einen Atomtest unternimmt, ist gestiegen. Nordkoreas junger Führer Kim Jong Un könnte versuchen, damit das Scheitern des Raketenstarts zu übertünchen, sagte Cheng Xiaohe, Professor für internationale Beziehungen an der Volksuniversität (Renmin Daxue) in Peking, der Nachrichtenagentur dpa. „Die Erfolgsrate eines Atomversuchs ist höher, weil es der dritte Test wäre.“ Ohnehin sei es für Außenstehende schwerer zu beurteilen, ob so ein unterirdischer Versuch erfolgreich sei.

Der Raketenstart sei „die falsche Entscheidung zum falschen Zeitpunkt“ gewesen, kritisierte der Professor. Es schade der gerade mühsam erzielten Annäherung der beiden Hauptakteure USA und Nordkorea. Eine Wiederaufnahme der seit drei Jahren ausgesetzten Sechs-Parteien-Gespräche über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm sei in weite Ferne gerückt. Daran nehmen unter Chinas Vermittlung die beiden Koreas, die USA, Japan und Russland teil. „Noch schlimmer ist, dass es ein Wettrüsten in Nordostasien antreibt“, sagte Cheng Xiaohe. „Es gibt den USA und Japan eine guten Entschuldigung, ein Raketenabwehrsystem aufzubauen.“

Wie die internationale Antwort aussehen kann, ist offen. „Der Start ist ein klarer Verstoß gegen eine UN-Resolution“, sagte Peter Beck von der Asia Foundation in Seoul. „Allerdings gibt es nur wenige Hebel, fürchte ich“, sagte er zu Forderungen nach einer deutlichen Antwort. Nordkorea ist bereits strikten Sanktionen unterworfen. Allerdings könnten China und Südkorea dem Regime von Kim Jong Un einen Schlag versetzen, falls sie Handel und Lebensmittellieferungen unterbinden. Doch fürchtet China auch, die Falschen zu treffen - nämlich die ohnehin hungernde Bevölkerung.

Nach dem Machtübergang auf den Sohn des im Dezember gestorbenen Alleinherrscher Kim Jong Il sollte der Start vor allem ein Signal für Nordkoreas Bürger sein. „Der Fehlschlag wird ein wenig Druck auf Kim Jong Un auslösen“, meint Beck. Doch mehr nicht. Das Regime hatte seine Stellung zuvor im Zeitraffertempo zu zementieren versucht. Die Propaganda zeigte ihn als machtfähigen Militärstrategen. „Kim Jon Un muss einen Sündenbock finden. Aber alle wissen, dass Kim Jong Un dafür verantwortlich ist“, sagte der chinesische Professor Cheng Xiaohe. „Für ihn ist das natürlich ein schwerer Schlag.“

Da Nordkorea sein Atomprogramm nicht aufgeben will, wird auch in China der Ruf nach einer neuen Nordkorea-Politik lauter. Es sei an der Zeit, die Haltung zu überdenken, sagte Professor Cheng Xiaohe. „Die internationale Gemeinschaft, einschließlich China, sollte Maßnahmen ergreifen, um Nordkorea zu bändigen.“

Dem Professor an der Pekinger Parteihochschule, Zhang Liangui, ist längst die Geduld mit dem schwierigen Nachbarn ausgegangen: „Sie können nicht machen, was sie wollen, sich nicht um die internationale Besorgnisse kümmern und keinen Rat annehmen.“ Und er wird noch deutlicher: „Es ist nicht hinzunehmen, ein derart widerspenstiges Mitglied in der Weltgemeinschaft zu haben.“ Doch Chinas Außenministerium mahnte alle Parteien - wie schon so oft - nur zur Zurückhaltung und warnte vor einer Eskalation.