Analyse: Papandreous Schicksalstage

Athen (dpa) - Für Griechenland schlägt die Stunde der Wahrheit: Bis Ende Juni wird sich entscheiden, ob das Land pleitegeht oder doch noch gerettet werden kann.

Mit frischem Geld von der Europäischen Union (EU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) können die Griechen nur rechnen, wenn sie sich zu einem harten Spar- und Privatisierungsprogramm verpflichten. „Geld gibt's nur, wenn das Sparprogramm gebilligt ist“, titelte die linksliberale Athener Zeitung „Eleftherotypia“.

Für die griechische Regierung unter dem Sozialisten Giorgos Papandreou wird es immer enger. Wenn das Parlament an diesem Dienstag über die Vertrauensfrage abstimmt, die Papandreou am Sonntag gestellt hatte, wollen Zehntausende - sogenannte empörte Bürger - vor dem Gebäude gegen die Sparpolitik demonstrieren. Papandreou hat nur eine knappe Mehrheit - 155 der 300 Abgeordneten. Wenige Abweichler könnten das Land in eine noch nie dagewesene Krise stürzen.

Auf eine große Koalition konnten sich Papandreou und der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras in der vergangenen Woche nicht einigen. Der Ministerpräsident bildete daraufhin seine Regierung um und macht jetzt mit einem neuen Finanzminister weiter. Dem Land fehle es an Staatsmännern, kritisieren Kommentatoren. Dies könne schwere Folgen haben.

Nach dem Vertrauensvotum wartet Hürde Nummer zwei Ende Juni für auf Papandreou: Dann muss das Spar- und Privatisierungsprogramm im Umfang von 78 Milliarden Euro vom Parlament gebilligt werden. Analysten gehen davon aus, dass Papandreou es schaffen könnte. Andernfalls, betonen die Fachleute immer wieder, würde das Land finanziellen Selbstmord begehen.

In Athen herrscht Verunsicherung. Die Lage ist so labil, dass schon ein kleines unvorhersehbares Ereignis unkontrollierbare Entwicklungen auslösen könnte. Vor dem Parlament versammeln sich jeden Abend tausende Demonstranten. Vergangenen Mittwoch eskalierte der Protest, als wenige gewalttätige Vermummte Brandflaschen und Steine warfen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Mehr als 30 Menschen wurden verletzt.

Die Mischung vor dem Parlament ist explosiv. Mit Nazi-Gruß und der Nationalhymne demonstrierten Neonazis am Sonntag gegen das Sparprogramm. Wenige Meter weiter forderten Autonome und linke Demonstranten auf Sitzungen der „Direkten Demokratie“, alle Politiker sollten gehen. Was danach kommen soll, blieb unklar. Dazwischen: Hausfrauen, Schüler, Arbeitslose aber auch Gewerkschaftsmitglieder aus staatlichen Betrieben, deren Löhne weit über dem Doppelten des Durchschnittseinkommens liegen.

Diese befürchten zu Recht, dass ihre Privilegien bald abgeschafft werden könnten - allen voran die Beschäftigten der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft (DEI). Seit Montag streiken sie gegen den Verkauf von 17 Prozent des Unternehmens. Sie drohen damit , dass es zu Stromunterbrechungen kommen könnte. „Die sozialen Unruhen (...) beunruhigen alle“, titelte das Athener Regierungsblatt „Ta Nea“ am Montag.