Analyse: Röttgen verschwindet durch Notausgang

Düsseldorf (dpa) - Manchmal sagt ein Bild mehr als tausend Worte: Als sich am Dienstag Fotografen und Fernsehteams vor den Türen der CDU-Landtagsfraktion in Düsseldorf aufbauen, um Norbert Röttgen abzufangen, finden sie nur noch ein Loch in der Wand vor.

Um bohrenden Nachfragen nach der Zukunft der nordrhein-westfälischen CDU zu entgehen, hat sich der scheidende Landesparteichef durch einen im Mauerwerk verdeckten Notausgang davon gemacht.

Was bleibt, ist das noch ungelöste Problem, wer die gedemütigte Landespartei wieder aufrichtet. In Nordrhein-Westfalen läuft das dieses Mal auf „die L-Frage“ hinaus: Laumann oder Laschet. Mehr geeignetes Führungspersonal ist neben dem Ex-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und Ex-Integrationsminister Armin Laschet weit und breit nicht in Sicht.

Beide wurden am Dienstag als Spitze der CDU-Landtagsfraktion bestätigt - zunächst einmal. Denn die CDU soll alle Optionen offen haben, die Führung der Landespartei und der Landtagsfraktion in eine Hand zu legen. Seine Amtszeit sei insofern mit dem Landesparteitag Ende Juni verknüpft und keine Vorentscheidung über die künftige Nummer eins der NRW-CDU, sagt Laumann. Zu Beginn der neuen Legislaturperiode wird ihm damit allerdings das Etikett der „lame duck“ (lahme Ente) anhaften - eines Fraktionsführers ohne Gewähr.

Noch ist kein offener Machtkampf um den Chefsessel des stärksten CDU-Landesverbands entbrannt. Beide Politiker üben sich in Harmonie, wollen die mit dem schlechtesten Landtagswahlergebnis gestrafte NRW-CDU nicht weiter entzweien und verunsichern. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass sowohl Laumann als auch Laschet Ambitionen haben, beide Führungsämter auf sich zu vereinen. Immerhin gibt Laumann zu, das sei „ein Modell, wofür einiges spricht“.

Ihren Hut wollen sie offiziell aber noch nicht in den Ring werfen. Vor allem Laschet ist ein gebranntes Kind. Nach der Wahlniederlage 2010 von Jürgen Rüttgers brachte er sich zu früh als „Kronprinz“ in Stellung. In Kampfabstimmungen um die Nummer eins in Landtagsfraktion und Landespartei verlor er dann aber zunächst gegen Laumann, anschließend gegen Röttgen.

Jetzt ist der 51-Jährige vorsichtig: „Ich weiß schon, was ich will. Ich weiß aber auch, dass es nicht gut ist, in einer solchen Phase zu sagen, ich will dieses oder jenes, sondern so viele wie möglich mitzunehmen.“

Dass eigentliche Dilemma der Partei zeigt sich in ihrer mager aufgestellten Talentschmiede. Vielen in der Landespartei gilt weder Laumann noch Laschet als Wählermagnet und geeignete Antwort auf SPD-Herzdame Hannelore Kraft. Alternativen sind aber nicht in Sicht - weibliche schon gar nicht. Zuletzt hatte die Wirtschaftsexpertin Christa Thoben 1999 den Mut, sich in eine Kampfabstimmung um den Landesvorsitz zu begeben, konnte sich aber gegen die Männerkonkurrenz nicht durchsetzen.

Ein Idealkandidat wäre eine Mischung aus Laschet und Laumann. Laumann ist eine Art politische Urgewalt: bodenständig, authentisch, eher konservativ, amtierender Schützenkönig, gut verwurzelt im CDU-Sozialflügel und in Westfalen. Der gelernte Schlosser ist durchaus wortgewaltig - schert sich dabei aber wenig um Grammatik oder formvollendete Sätze. In medialen Wahlkampfschlachten ein Minus.

Um die großstädtische Wählerklientel anzusprechen, wäre der geschliffen formulierende Modernisierer Laschet der geeignetere Kandidat, der zudem erfolgreich auf der Medien-Klaviatur spielt. Aus Sicht des Laumann-Lagers hat der frühere Abgeordnete des Bundestags und des Europaparlaments aber zu wenig Stallgeruch und dafür zu viele Ambitionen. Bis zur Landesvorstandssitzung nächste Woche Mittwoch sollen zumindest alle Hüte im Ring liegen.