Analyse: Schwarz-Rot hängt an Merkel, Seehofer und Gabriel
Berlin (dpa) - Sie kennen sich aus der großen Koalition von 2005 bis 2009, und das kommt ihnen jetzt zu Gute: Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel.
Ihr Sechs-Augen-Gespräch in der dritten Sondierungsrunde hatte den Durchbruch gebracht. Im Ringen um den Koalitionsvertrag werden sie noch viele Kühe vom Eis holen müssen. Porträt eines Trios:
In ihrer ersten großen Koalition kamen Merkel, Seehofer als Agrarminister und Gabriel als Umweltminister gut miteinander aus. So fangen sie nun nicht beim Vertrauen nicht bei Null an. Allerdings wurde 2010 ein SMS-Wechsel zwischen dem damaligen Oppositionspolitiker Gabriel und Merkel publik, als die SPD sich für Joachim Gauck als überparteilichen Kandidaten für das Amt des Bundespräsident einsetzte. Die Öffentlichkeit konnte in den Medien nachlesen, wie kühl Merkel das zur Kenntnis nahm: „Danke fuer die info und herzliche Grüße am“. Das dürfte eine Warnung, aber keine Hürde für Merkel sein, neues Vertrauen aufzubauen.
Mit 41,5 Prozent hat Merkel die Union und sich selbst bei der Bundestagswahl zur unangefochtenen Siegerin gemacht. Ihre dritte Amtszeit als Kanzlerin erscheint ihr sicher. Die 59-Jährige ist nicht weniger hart in ihren Entscheidungen als ihre männlichen Kollegen und sie ist mindestens so machtbewusst. Aber sie kommt oft anders ans Ziel: vermittelnd, beherrscht, abwartend und dann zuschlagend. Wer ihr jedoch dumm kommt, wird eiskalt abserviert.
Für viele in der Union ist es ein Phänomen, wie Merkel die CDU erobert hat. Bei ihrer Wahl zur Parteichefin vor mehr als 13 Jahren galt die in der DDR aufgewachsene Pfarrerstochter als Übergangslösung. Niemand hatte damals geglaubt, dass sie einmal als mächtigste Frau der Welt gelten und in einer Reihe mit den Übervätern der Partei, Konrad Adenauer und Helmut Kohl, stehen wird.
Das nötigt heute auch Seehofer und Gabriel Respekt ab. Seehofer (64) sagte einmal, wer Merkel unterschätzt, hat schon verloren. Er unterschätzt sie nicht, aber er provoziert sie gern. Während der schwarz-gelben Koalition drohte er mehrfach mit Koalitionsbruch. Mal lenkte Merkel ein, mal blieb sie hart. Die Koalition hielt.
In der SPD wurde schon gewitzelt, Merkel könne gar kein Bündnis mit den Grünen schmieden, weil sie das politische Gewicht eines Sigmar Gabriel brauche, um Seehofer in Schach zu halten. Schließlich hat die CSU die Alleinherrschaft in Bayern zurückgewonnen und damit wird der Ministerpräsident auch in Berlin mehr Macht beanspruchen.
Seehofer wollte nach der Wahl von Anfang an eine große Koalition. Vor allem die zweite Sondierungsrunde kam ihm ätzend zäh vor. Vor der dritten vollzog er dann mal kurz einen Schwenk der Union beim Mindestlohn und - zackizacki - war der Durchbruch vollzogen. Er gilt als Bauchmensch und auch als Profi für Wendungen, wenn es um die Macht geht. Fakt ist, die CSU kehrte mit ihm zu altem Ruhm zurück.
Auch Gabriel gilt als Politiker, der Stimmungen gut spüren kann. Noch vor der Bundestagswahl kursierten bei Ländervertretern angebliche Putschszenarien in der SPD. Nun ist der Parteichef statt Wackelkandidat plötzlich der starke Mann. Der 54-Jährige kennt die Auf und Abs der Politik. Die Kanzlerkandidatur traute er sich nicht zu - nun könnte er aber Vizekanzler werden.
Nach seiner Abwahl als Ministerpräsident in Niedersachsen war Gabriel zunächst bespöttelter SPD-Popbeauftragter („Siggi Pop“). 2005 dann das Combeack als Bundesumweltminister - gemeinsam mit Merkel warb er vor grönländischen Gletschern für mehr Klimaschutz. Sein Einsatz gegen die von Union und FDP geplante Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke machte ihn zum einzigen Gewinner des SPD-Wahlkampfes 2009. Die Partei stürzte auf 23 Prozent ab, Gabriel wurde Nachfolger von Franz Müntefering als SPD-Chef.
Danach einte Gabriel die SPD und stärkte die Mitbestimmung: Die Mitglieder sollen auch über einen Koalitionsvertrag mit der Union abstimmen. Vor allem von dem zur Launenhaftigkeit neigenden Gabriel wird es nun abhängen, ob vor Weihnachten die große Koalition steht.