Analyse: Teilt die Flüchtlingskrise Deutschland?

Dresden/Potsdam (dpa) - Brand- und Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, Ausländer, die vom braunen Mob durch die Straßen gejagt und verprügelt werden, rassistische Krawalle bei der Ankunft von Flüchtlingszügen: In Deutschland häufen sich fremdenfeindliche Gewalttaten.

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Vor allem im Osten Deutschlands. Nach Ansicht der Amadeu-Antonio-Stiftung ist die ausländerfeindliche Stimmung heute sogar stärker als Anfang der 1990er-Jahre, als bei Anschlägen etwa in Solingen, Hünxe, Hoyerswerda oder Mölln mehrere Dutzend Menschen ermordet wurden.

„Die Situation ist noch schlimmer als damals: Es gibt mehr Übergriffe und mehr Brandanschläge, allerdings nicht so viele Todesfälle“, sagt Anetta Kahane. Sie ist Vorstandsvorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung. Die Einrichtung setzt sich für eine starke Zivilgesellschaft ein. Benannt wurde sie nach einem Angolaner, der 1990 in Deutschland zu Tode geprügelt wurde. Er war das erste Opfer rechter Gewalt nach der Wende.

In Dresden gehen seit über einem Jahr wöchentlich Tausende gegen eine angebliche Überfremdung auf die Straße. Pegida macht Angst vor Fremden. Und schürt Aggressionen. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es so viele Angriffe auf Asylbewerberheime wie in Sachsen.

Für den Chef der sächsischen SPD-Landtagsfraktion, Dirk Panter, eine logische Folge: „Der Hass und die Hetze, die durch Pegida und andere Rassisten gestreut werden, mündete im ganzen Land in abscheulichen Taten.“ Hier sei der Rechtsstaat mit seiner ganzen Härte gefordert. „Hier muss auch die Gesellschaft deutlicher als bisher widersprechen.“

Doch diese Gesellschaft spalte sich zusehends an der Frage des Umgangs mit den Fremden, die nach Deutschland kämen, meint der Hallenser Psychiater Hans-Joachim Maaz. „Das nimmt immer mehr auch aggressiven Charakter an.“ Er sieht das Problem vor allem in der schweigenden Mehrheit. „Da wächst der Protest gegen die Politik. Man fühlt sich in den Bedenken, die da sind, nicht mehr genug von der Politik verstanden.“

Dass es vor allem im Osten zu Protesten gegen die Regierenden und die von ihnen vermeintlich gesteuerte „Flüchtlingsflut“ kommt, liegt nach Ansicht Kahanes auch am Umgang mit dem Fremdenhass dort in den 90er-Jahren. „Im Osten hat nach der Wende der Mob recht bekommen. Die Ausländer wurden am Ende weggeschickt. Staat und Gesellschaft hatten zugelassen, dass die Nazis gewinnen.“ Damit habe die Politik es zugelassen, „dass sich Ost- von Westdeutschland so weit entfernt hat“.

„Rechte Straftäter gefährden den Frieden in unserem Land“, warnt auch SPD-Mann Panter. Angesichts fremdenfeindlicher Angriffe und Attacken auf Flüchtlings-Helfer, Polizisten und Journalisten fragt er sich: „Wo sind Anstand und Menschlichkeit geblieben?“

Kahane meint, dass man gegensteuern kann. Die Zivilgesellschaft sei dazu heute besser dazu in der Lage als in den 1990-er Jahren, als die Bilder von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Solingen und Mölln um die Welt gingen. Dazu müsse aber im Osten noch viel investiert werden. Vor allem in interkulturelle Bildung. „Die Frage ist nicht wie, sondern ob. Man muss es nur machen.“