Analyse: Von der Leyen am Ende doch wieder durchgesetzt
Berlin (dpa) - An die Zuschussrente hatte sie sogar ihr politisches Schicksal geknüpft - zumindest indirekt. „Ich stehe dafür gerade, dass hier etwas passiert.“ Das war Mitte August, und Ursula von der Leyen, Ministerin für Arbeit und Soziales sowie CDU-Vize, gab sich kämpferisch.
„Sie können mich an den Worten messen. Bis Ende Oktober müssen die positiven Entscheidungen zur Zuschussrente getroffen sein.“ Damals hatte sie gerade dem Druck der FDP nachgeben und ihr ursprüngliches Rentenpaket aus Beitragssenkung und Armutsbekämpfung wieder aufschnüren müssen. Doch bei der Zuschussrente hakte es weiter. Der Gesetzentwurf lag seit dem Frühjahr auf Eis, weil Kanzleramt, Liberale und CDU-Wirtschaftsflügel den Finanzierungs-Mix aus Steuer- und Beitragsgeldern nicht mittragen wollten. Manche sahen von der Leyen schon vor dem Rücktritt.
Monate später - freilich mit einigen Tagen Verzug - ist nun tatsächlich etwas passiert. Und zwar ganz im Sinne von der Leyens. Auch wenn das erst auf den zweiten Blick auffällt. Denn in ihrer Marathonsitzung in der Nacht zum Montag hoben die Spitzen der Koalition von CDU, CSU und FDP im Kanzleramt ein Rentenkonzept unter neuem Namen aus der Taufe: „Lebensleistungsrente“ heißt das Modell jetzt. Doch es ist eigentlich die Zuschussrente, nur im neuen Gewand.
„Ich bin hocherfreut, denn das Grundprinzip der Zuschussrente ist genau heute Nacht beschlossen worden“, sagte die Ministerin in einem N-TV-Interview. Das Prinzip sei vom Koalitionsausschuss sogar noch verbessert worden: Dank des Beschlusses, dass der Finanzminister künftig die Zuschüsse an Geringverdiener für eine Rente über dem Niveau der Grundsicherung voll bezahlt. Wolfgang Schäuble war zwar in Mexiko unterwegs - er hatte das Konzept aber schon vor der Sitzung abgesegnet.
Von der Leyens ursprüngliches Zuschussrenten-Konzept sah vor, dass Niedrigrenten unter strengen Voraussetzungen bis auf maximal 850 Euro aus Beitrags- und Steuermitteln aufgestockt werden. Anfangs kostet das einige 100 Millionen Euro, für das Jahr 2030 sind dann schon 3,2 Milliarden Euro veranschlagt. Die geänderte Variante dürfte sogar billiger werden, denn die Hürde zur Rentenaufstockung wurde höher gesetzt. Statt 35 sollen die Begünstigten 40 Renten-Beitragsjahre vorweisen müssen.
Aus Sicht von Opposition, DGB und Sozialverbänden ist auch das neue Modell ein untaugliches Mittel: Die Koalition versuche bei der Bekämpfung von Altersarmut nach wie vor, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben. Für die Kritiker war die Zuschussrente ein Placebo, dasselbe gilt jetzt für die Lebensleistungsrente. Der wachsenden Armut im Alter könne damit nicht wirklich begegnet werden: Von „Rentenpolitik auf Sparflamme“ ist die Rede.
Dies lässt von der Leyen nicht gelten: Die Beschlüsse nennt sie „besondere gut für Geringverdiener, die ein Leben lang fleißig in die Rentenkasse eingezahlt haben“. Sie seien sehr gut für Frauen, die Kinder erzogen oder Ältere gepflegt hätten. „Unser Anliegen war, dass diese Menschen, die ein Leben lang Verantwortung übernommen haben, gearbeitet haben, in den Generationenvertrag eingezahlt haben, dass die am Ende des Tages eine Rente aus der Rentenversicherung haben.“ Wer dort 40 Jahre eingezahlt habe, müsse nun „nicht zum Sozialamt gehen“.