Analyse: Wahlkrimi in Baden-Württemberg

Stuttgart (dpa) - Der Wahlabend in Baden-Württemberg wird nichts für schwache Nerven: Unmittelbar vor der Landtagswahl bleibt es spannend, ob die Grünen mit ihrem beliebten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann wirklich die CDU als stärkste Kraft überholen.

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Auch die Frage, wer dann mit wem koaliert, ist noch offen. Reicht es nicht für die Fortsetzung von Grün-Rot, könnte es im Südwesten auf eine bundesdeutsche Premiere hinauslaufen: eine grün-schwarze Koalition mit einem grünen Ministerpräsidenten Kretschmann.

Die letzten Umfragen vor der Landtagswahl an diesem Sonntag geben kein eindeutiges Bild. Zwar zeigen sie, dass es in Baden-Württemberg keine Wechselstimmung gibt und die Bürger am liebsten Kretschmann als Regierungschef behalten möchten. Und während die Grünen bei 30 Prozent und darüber stehen, liegt die CDU mit Herausforderer Guido Wolf konstant bei desolaten 30 Prozent und darunter. Es zeichnet sich ab, dass es ein Fünf-Parteien-Parlament geben wird, da die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) aus dem Stand wohl mit einem zweistelligen Ergebnis in den Landtag einzieht.

Doch viele Wähler sind noch unentschieden. Und am Wahlabend kommt es auf jeden Wahlkreis an. In den Umfragen reicht es knapp für Grün-Rot - oder es fehlen dazu nur wenige Mandate. Die Wunschkoalitionen von CDU-Spitzenkandidat Wolf - Schwarz-Gelb und notfalls Schwarz-Rot - haben voraussichtlich keine Mehrheiten. Wolf bliebe als Möglichkeit, Regierungschef zu werden, dann nur die „Deutschlandkoalition“ aus CDU, SPD und FDP. Doch die SPD zeigt wenig Neigung, sich in die unbequeme Sandwichposition eines Dreierbündnisses zu begeben. Zudem stünde die CDU dann unter großem Rechtfertigungsdruck. Warum Wolf ins Amt hieven wollen, wenn die Grünen stärkste Kraft sind?

Die Grünen in Baden-Württemberg sind in den Umfragen etwa dreimal so stark wie im Bund. Sollten sie vor der CDU über die Zielmarke gehen, wäre dies der Beweis dafür, dass die Ökopartei im Südwesten mittlerweile breiten Rückhalt im einst CDU-dominierten bürgerlichen Lager hat. Noch leben die Grünen vor allem von Kretschmann. Seinen Nimbus als bodenständiger und pragmatischer Regierungschef reizten sie im Wahlkampf bis zum Anschlag aus - etwa mit Slogans wie „Regieren ist eine Stilfrage“ und einem TV-Spot, der den Landesvater werkelnd in einer heimeligen Holzwerkstatt in der verschneiten Provinz zeigt. „Wenn man etwas schaffen will, was bleibt, muss man seine ganze Energie da reinstecken“, spricht er da aus dem Off.

Dagegen hatte es CDU-Herausforderer Wolf schwer - schon allein wegen der Flüchtlingspolitik, die seine Partei spaltete und zu der er selber keine eindeutige Haltung vermittelte. Mit landespolitischen Themen wie der inneren Sicherheit drang seine Partei nicht durch. Bereits vor der Landtagswahl werden in der CDU hinter vorgehaltener Hand starke Zweifel daran geäußert, ob Wolf überhaupt der richtige Kandidat sei. Er habe keine Ideen und sei nicht wirklich offen für Ratschläge, hieß es. Selbst prominente CDU-Mitglieder spielen ernsthaft mit dem Gedanken, nun erstmals die Grünen zu wählen. Wolf selbst sieht sich auch als Opfer der Umfragen-Häufung vor der Wahl. „Sie sind dazu geeignet, das Wahlverhalten zu beeinflussen.“

Tragisch könnte die Landtagswahl für die SPD enden. Als Juniorpartner der Grünen kann sie auf eine solide Regierungsarbeit verweisen. Im Wahlkampf machte sie keine großen Fehler. Doch ihr Spitzenkandidat und Vize-Regierungschef Nils Schmid ging unter im Zweikampf zwischen Titelverteidiger Kretschmann und Herausforderer Wolf. Überdies drohen von der Flüchtlingskrise verunsicherte SPD-Anhänger zur AfD abzuwandern. Wie die CDU könnte die SPD nun ihr schlechtestes Wahlergebnis aller Zeiten im Südwesten einfahren. Dann gibt es möglicherweise in beiden Parteien personelle Konsequenzen.